- Politik
- Datenschutz
Klarer Zweck, klare Grenzen und ein Ablaufdatum
Datenschützer kontern die Intransparenz der Bundesregierung bei der Corona-App mit einem Gesetzesvorschlag
Als vor wenigen Tagen die Bundesregierung ihre Entscheidung für das dezentrale Modell einer Corona-App bekannt gab, wirkte es wie ein Sieg der Datenschützer. Doch es ist wohl kaum Einsicht, die Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nun zum Datenschutzbefürworter werden lässt. Apple und Google, deren Betriebssysteme den Markt dominieren, hatten bekannt gegeben, dass die notwendigen Bluetooth-Schnittstellen nur die dezentrale Umsetzung einer Corona-App unterstützen werden. Ohne diese Schnittstellen wäre eine komfortable Nutzung nicht möglich, denn die App müsste permanent eingeschaltet und im Vordergrund auf dem Smartphone aktiv sein. Die unbedingt notwendige breite Akzeptanz bei den Nutzer*innen wäre so absehbar nicht zu erreichen.
Nach Wochen der Diskussion ist immer noch unklar, welche Funktionalitäten an die Corona-App geknüpft werden sollen, die oft als Voraussetzung für Lockerungen gehandelt wird. Ohne App kein Eintritt in Veranstaltungen - solche Nutzungsszenarien würden schnell einen gesellschaftlichen Druck erzeugen, die App zu nutzen.
Eine Gruppe aus mehreren Autor*innen legte zu Wochenbeginn einen Gesetzesvorschlag vor, um das Missbrauchspotenzial einzufangen. »Im Kern sehe ich unseren Vorschlag als politisches Statement: Das und nicht mehr!«, sagte Dr. Malte Engeler, der als Jurist lange Zeit auch in der europäischen Datenschutzaufsicht tätig war. »Meine persönliche Motivation war, der Regierung jetzt den Spiegel vorzuhalten und aufzuzeigen, dass für den ursprünglichen Zweck ein so knapp und übersichtlich formuliertes Gesetz völlig ausreicht.« Das Team aus sachkundigen Autor*innen gibt einen engen Rahmen vor, mit dem das politisch erklärte Ziel erreicht werden soll. Dabei lassen sie keinen Spielraum für Spitzfindigkeiten und Hintertüren und beschränken das Gesetz rein auf die Coronakrise. Der freiwilligen Nutzung der App ist ein eigener Paragraf gewidmet. »Die Gefahr bei einer freiwilligen App ist immer, dass sie nicht wirklich freiwillig bleibt«, sagt Mitverfasser Jürgen Geuter. »Auch bei der Schufa ist formal alles freiwillig. Doch wer eine Auskunft verweigert, bekommt keinen Kredit oder keine Wohnung.« Geht es nach den Autor*innen, so soll sich die Politik rechtfertigen, wenn ein Gesetz zur Corona-App über den Umfang ihres Vorschlages hinausgeht.
Die Abgeordnete Anke Domscheit-Berg (Linke) setzt sich für die gesetzliche Regelung ein: »Momentan prüft die Fraktion die Einbringung des vorgebrachten Entwurfs, an dessen Erarbeitung auch die Referentin für Netzpolitik der Linksfraktion beteiligt war, in den gesetzgeberischen Prozess.« Ein Gesetz wird als notwendig angesehen, da die reine Einwilligung in die Datenverarbeitung, wie sonst bei Apps üblich, keine ausreichenden Grenzen setzt. Auch müssen Löschfristen geregelt und die Nutzung der gesendeten Signale vor einer schleichenden Zweckentfremdung geschützt werden.
»Durch immer neue Hirngespinste wie zunächst das Handytracking und später die Datenspende-App oder Steuervorteile für App-Nutzer hat die Bundesregierung zudem das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger massiv geschädigt«, sagt der stellvertretende Faktionsvorsitzende der FDP im Bundestag, Stephan Thomae, und sieht den Vorschlag als »überwiegend zustimmungsfähig« an.
Die Fraktion der Grünen will am Donnerstag die Forderung nach einem Gesetz in den Bundestag einbringen. »Offensichtlich plant die Bundesregierung derzeit keine solche gesetzliche Regelung«, kritisiert der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Konstantin von Notz.
Die CDU kommentierte den Vorschlag bis zum Redaktionsschluss nicht. Der Koalitionspartner SPD begrüßt die Entscheidung der Bundesregierung für die dezentrale Umsetzung der App, äußerte sich aber weder zum konkreten Gesetzesvorschlag des Autor*innenteams, noch zur generellen Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung.
Klar ist derzeit nur, dass die Corona-App durch die Telekom und den Softwarekonzern SAP realisiert werden soll. In IT-Kreisen wird die Beteiligung der Telekom kritisch gesehen, da das Unternehmen bisher bei Softwareprojekten großer Dimensionen, wie mit dem rechtssicheren E-Mail-Standard De-Mail, keine überzeugenden Nutzerzahlen erreichte.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.