Nur eine Krise des Verbrenners
Neuerliche Autokaufprämien werden derzeit vorbereitet - die Details bleiben nach einem Gipfeltreffen umstritten
Neben den deutschen Autoherstellern und dem Branchenverband VDA machen sich auch politische Vertreter der »Autoländer« Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg seit Tagen wieder einmal für noch höhere Kaufprämien stark. Doch Coronakrise hin, Autokrise her: Immerhin noch rund 215 000 Pkw wurden laut neuesten Daten des Kraftfahrtbundesamtes im März 2020 in Deutschland neu zugelassen. Ein Minus von fast 40 Prozent, verglichen mit März 2019. Rechnet man aber das erste Quartal 2020 zusammen, geht es nur noch um rund 20 Prozent Rückgang.
Pkw mit alternativen Antrieben lagen dagegen im März deutlich im Plus. So wurden rund 10 300 E-Autos zugelassen, mehr als 50 Prozent über dem Vorjahreswert. Bei Hybriden (knapp 29 000 Neuwagen) lag das Plus mit bei 62 Prozent und bei Plug-in-Hybriden (rund 9500 Fahrzeuge) sogar bei über 200 Prozent. Die jetzt wieder beschworene Autokrise, die in Coronazeiten mit neuerlichen Kaufprämien gedämpft werden soll, ist also vor allem eine der Blechfahrzeuge mit herkömmlichem Verbrennungsmotor. Und für den Aufschwung der Elektroautos und Hybride reichen offenbar bereits die bisher gewährten Kaufpräminen und steuerlichen Vergünstigungen aus.
Ob man den Batterieautos da noch weitere Absatzprämien gewähren muss, fragt sich selbst die Branche. Ihr ist es wichtiger, mit den derzeit diskutierten Corona-Konjunkturhilfen vor allem den Absatz ihrer Benziner und Diesel wieder anzukurbeln. Am liebsten wäre ihr eine Abwrackprämie wie 2009 nach der Finanzkrise. Einziges Zugeständnis an heutige Zeiten wäre, dass man nur »moderne« Verbrenner gefördert sehen will.
Die Abwrackprämie habe allerdings weder für die Umwelt noch für die Volkswirtschaft einen Nutzen gehabt, kritisiert Christian Hochfeld, Chef des Thinktanks »Agora Verkehrswende«. Die Bilanz der damals fünf Milliarden Euro großen Konjunkturspritze: 27 Millionen Steuerzahler hätten zwei Millionen Autokäufern je 2500 Euro geschenkt. Neue staatliche Hilfen für die Autobranche müssten so angelegt sein, dass sie nicht nur kurzfristig helfen, sondern zugleich einen Impuls für eine klimaneutrale Wirtschaft setzten, betont Hochfeld. »Die deutsche Autoindustrie wird nur dann wettbewerbsfähig und wirtschaftlich erfolgreich sein, wenn ihre Geschäftsmodelle kompatibel sind mit dem Pariser Klimaschutzabkommen und dem European Green Deal.«
Unstrittig ist für ihn die Förderung von E-Autos. Beim bisherigen Umweltbonus, der je nach Fahrzeugpreis 5000 oder 6000 Euro beträgt, kann seiner Ansicht nach nachgelegt werden. Eine derzeit angedachte Erhöhung auf 8000 beziehungsweise 6000 Euro werde die Nachfrage weiter stimulieren. Bei den klimapolitisch umstrittenen Plug-in-Hybriden will Hochfeld die Förderung davon abhängig machen, dass diese so viel wie möglich elektrisch gefahren werden und so einen Klimavorteil bringen. Eine Kaufprämie für Verbrenner hält der Agora-Experte nur für die effizientesten Automodelle für denkbar. Hochfeld greift dabei eine schon lange im Gespräch befindliche Bonus-Malus-Regelung zurück. Pkw, deren Emissionen den geltenden EU-Flottenwert von 95 Gramm CO2 pro Kilometer nicht überschritten, könnten so einen Bonus von bis zu 1500 Euro erhalten. Wer ein dreckigeres Auto kauft, müsse draufzahlen.
Ob eine solche Bonus-Malus-Regelung eine reale Chance hat, ist indes höchst zweifelhaft. Bei einem Autogipfel am Dienstag, an dem neben der Kanzlerin Angela Merkel mehrere Bundesminister, Vertreter der großen deutschen Hersteller, des Autoverbandes VDA sowie der IG Metall teilnahmen, kam nur der Beschluss heraus, dass Regierung und Branche in einer Arbeitsgruppe weiter beraten und bis Anfang Juni Ergebnisse vorlegen wollen. Die Maßnahmen sollten, heißt es weiter, einen »Modernisierungsbeitrag« in Richtung innovativer Fahrzeugtechnologien darstellen.
Eine Autokaufprämie hält Lorenz Gösta Beutin von der Linksfraktion im Bundestag für ungerecht. Diese sei ein Griff »in die Tasche aller, auch derer, die kein Auto fahren oder sich dies nicht leisten können.« Beutin plädiert stattdessen für Konjunkturprogramme zum massiven Ausbau von Bus und Bahn sowie für eine öffentliche Mobilitätsgarantie für alle.
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