Goldener Rahmen oder Direkthilfe
Bei den Angeboten gegen Einkommensverluste unterscheiden sich Regierung und Opposition inzwischen deutlich
Lockerungen in der Coronapandemie und die Zahl der Infektionen stehen in einem umgekehrt proportionalen Verhältnis. Je mehr Lockerung, desto größer zumindest die Gefahr neuer Ansteckungen. Und so befindet sich die Politik derzeit im Dilemma. Beschlüsse neuer Öffnungen im gesellschaftlichen Leben wie die der Regierungschefs von Bund und Ländern am Mittwoch laufen potenziell den Bemühungen zuwider, die der Bundestag am Donnerstag ein weiteres Mal unternimmt, die Folgen der Pandemie in Deutschland zu mildern.
Und dieses Bemühen drückt sich in Euro und Cent aus. So haben die Abgeordneten über ein umfangreiches Paket weiterer Hilfsmaßnahmen zu entscheiden, die besonders den Familien mit Kindern (siehe Kellerbeitrag), den Studierenden und dem Wissenschaftsbetrieb zu Gute kommen sollen. Allerdings mit angezogenen Bremsen. Wissenschaftler sollen mehr Planungssicherheit erhalten und auch in einer solchen Krise ihre Vorhaben verfolgen können. Dazu wie auch zur Unterstützung von Studierenden, die auf Bafög angewiesen sind, werden die Bedingungen verbessert, mit Auflagen. Studierende, die in systemrelevanten Branchen arbeiten gehen, um ihre Mittel aufzubessern, behalten ihre BAföG-Förderung. »Rahmenbedingungen« sollen verbessert werden, »damit junge Menschen einen Beitrag zur Bewältigung der Pandemie leisten können: Medizin-Studierende in Krankenhäusern oder ... Pflege-Auszubildende in Alten- und Pflegeheimen; angehende Ingenieure beim Bau provisorischer Krankenhäuser«.
Statt eines goldenen Rahmens will die Linke lieber direkte Hilfe, etwa den Kreis der BAföG-Berechtigten erweitern. Außerdem verlangt sie, einen Sozialfonds in Höhe von drei Milliarden Euro einzurichten. Bafög soll wieder als Vollzuschuss gewährt und die Altersgrenzen sollten abgeschafft werden. Die FDP will das BAföG-Volldarlehen für Studierende öffnen, die durch Corona »einen relevanten Einkommensteil verloren haben«. Und die Grünen wollen Bafög durch ein Nothilfe-BAföG ergänzen, für zunächst drei Monate. Auch die AfD lässt sich nicht lumpen und regt an, den Anspruch wissenschaftlicher Mitarbeiter auf Verlängerung der Höchstbefristungsdauer von Arbeitsverträgen zu verlängern.
So zeigt der Überbietungswettstreit recht typisch die Prioritäten der Fraktionen auch in der Opposition an. Ähnlich sieht es bei der Unterstützung der Freizeiteinrichtungen und Kunst- und Veranstalterszene aus; hier geht es unter anderem um die Frage, ob Kulturbetriebe für abgesetzte Veranstaltungen wie bisher zu Geldrückzahlung verpflichtet bleiben oder Entschädigung in Form von Gutscheinen leisten dürfen. Im Gesetzentwurf ist dies vorgesehen, wenn die Kunden nicht zwingende Gründe vorbringen können, warum sie den Gutschein zurückweisen wollen. Allerdings wurde die abschließende Debatte abgesetzt und also vertagt, weil zu den Entwürfen der Koalition zwischen Bundesregierung und Bundesrat noch kein Einvernehmen hergestellt werden konnte.
Deutlich vernehmbar ist nach anfänglicher Zustimmung zu den staatlichen Hilfsmaßnahmen für die Wirtschaft in weiten Teilen der Gesellschaft auch Widerspruch dazu, dass diese nicht an Auflagen gebunden wurden. So werde bei keiner der staatlichen Unterstützungsmaßnahmen geprüft, ob Steuertrickser oder Klimasünder von der Hilfe profitieren, kritisierte erst am Dienstag der gemeinnützige Verein Finanzwende und kündigte deshalb eine Unterschriftensammlung an, um den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen, dies schleunigst zu ändern.
In eine ähnliche Richtung geht ein Antrag der Linken, in dem sie fordert, von »Dänemark zu lernen«. Dessen Regierung habe angekündigt, Unternehmen mit Sitz in Steueroasen sowie Unternehmen, die Dividenden ausschütten oder Aktienrückkäufe tätigen, von Hilfsprogrammen auszuschließen, begründet die Fraktion ihren Antrag. Weitere EU-Staaten wie Frankreich, Österreich und Polen hätten Ähnliches angekündigt. Deshalb, so die Linke, sei die staatliche Unterstützung für Unternehmen in der Coronakrise an Bedingungen zu knüpfen - etwa ein bestimmtes Maß an Transparenz über wichtige Kennzahlen in Staaten, in denen Unternehmen aktiv sind. Firmen mit Sitz in einer Steueroase sollten ganz ausgeschlossen sein von Förderprogrammen.
Das Einvernehmen im Bundestag ist in diesen Tagen so fragil und ungewiss wie ehedem. Während in den ersten Wochen des Lockdown die Fraktionen über Unterschiede hinweg der Bundesregierung folgten, um das Risiko für die Bevölkerung zu minimieren, das sie nicht abschätzen konnten, werden die politischen Differenzen jetzt wieder deutlich. Das zeigt sich in der Haltung zum 8. Mai als historischem Datum. So begehrt die Linksfraktion gegen die Planungen zum Tag der Befreiung vom Faschismus auf. In einem Brief an den Präsidenten des Bundestages sowie an alle demokratischen Fraktionen des Hauses lässt der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Jan Korte, erkennen, dass seine Fraktion die bisher geplante Form des Gedenkens für nicht ausreichend und angemessen hält.
Korte räumt darin ein, dass der ursprünglich geplante Staatsakt vor dem Reichstag und der anschließende Empfang im Bundestag aus nachvollziehbaren Gründen wegen der Coronabedingungen abgesagt wurden. Eine nun allein noch vorgesehene Kranzniederlegung an der Neuen Wache ohne Publikum findet Korte nicht ausreichend. Er bittet daher um Vereinbarung einer Plenardebatte zu diesem Thema - »in dieser oder der kommenden Plenarwoche«. Dies wäre »zumindest ein kleines symbolisches Zeichen, dass das Parlament auch in Corona-Zeiten die große Bedeutung des Datums erkennt und ihr gerecht zu werden versucht«.
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