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Baden-württembergische Grüne wollen kompletten Bruch mit Palmer
Tübinger Oberbürgermeister widersetzt sich Forderung nach Parteiaustritt
Berlin. Das Verhältnis zwischen den Grünen und ihrem eigenwilligen Kommunalpolitiker Boris Palmer ist vollends zerrüttet. Der Landesvorstand der baden-württembergischen Grünen forderte den Tübinger Oberbürgermeister am Freitagabend zum Parteiaustritt auf. Palmer ließ seine Partei aber umgehend wissen, dass er dieser Aufforderung nicht folgen werde. Er sieht sich als Opfer erfundener Vorwürfe seiner Gegner.
Der Grünen-Landesvorstand begründete seine Aufforderung damit, dass sich Palmer mit seinen Äußerungen gegen politische Werte und Grundsätze der Partei stelle und »systematisch« gegen sie agiere. Palmers Auftritte dienten »nicht der politischen oder innerparteilichen Debatte, sondern der persönlichen Profilierung«.
In einer Erklärung hieß es: »Der Landesvorstand missbilligt zutiefst dieses politische Agieren und distanziert sich deutlich von Boris Palmer.« Der Vorstand behalte sich zudem ein Parteiordnungsverfahren vor.
Palmer will sich den Forderungen seiner Partei aber nicht beugen. »Selbstverständlich trete ich nicht aus meiner Partei aus«, sagte Palmer der »Bild«-Zeitung. »Ich bleibe weiterhin aus ökologischer Überzeugung Mitglied der Grünen. Da die Vorwürfe gegen mich von meinen Gegnern erfunden beziehungsweise konstruiert worden sind, gibt es überhaupt keinen Grund, darüber nachzudenken.«
Palmer hatte in den vergangenen Jahren immer wieder mit Äußerungen für Empörung innerhalb und außerhalb der Partei gesorgt. Zuletzt sagte er in einem Interview zu den Schutzmaßnahmen in der Corona-Krise: »Ich sag es Ihnen mal ganz brutal: Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären - aufgrund ihres Alters und ihrer Vorerkrankungen.« Die Grünen-Bundesspitze distanzierte sich daraufhin deutlich von Palmer.
Die baden-württembergische FDP machte Palmer hingegen nun ein Aufnahmeangebot. »Bei uns in der FDP Baden-Württemberg ist Boris Palmer herzlich willkommen«, sagte der Landesvorsitzende Michael Theurer der »Bild am Sonntag«. Die Liberalen seien »eine Heimat für kritische Köpfe«.
»Wir halten das aus, wir kämpfen für Meinungsfreiheit«, sagte Theurer. Der FDP-Landeschef nannte Palmer einen »streitbaren, klugen Kopf, der manchmal über das Ziel hinausschießt, nicht immer den richtigen Ton trifft, aber auch zur Einsicht fähig ist und den Diskurs der unterschiedlichen Meinungen sucht.«
Unterstützung bekam Palmer auch von dem früheren SPD-Politiker Thilo Sarrazin, der ebenfalls seit Jahren mit seiner Partei im Streit liegt. Offensichtlich sei, dass die Grünen Palmer mehrheitlich schon länger nicht mehr mögen würden, sagte Sarrazin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. »Jetzt sehen viele einen willkommenen Anlass, in Bezug auf Boris Palmer 'reinen Tisch' zu machen.«
Palmers Äußerungen zu den Corona-Kranken entsprächen »in etwas gröberer Form etwa dem, was Wolfgang Schäuble etwas abstrakter geäußert hatte«, sagte Sarrazin. Die SPD versucht seit Jahren, Sarrazin wegen islamkritischer Bücher und Thesen aus der Partei auszuschließen.
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Anfang des Jahres entschied die Landesschiedskommission der SPD, dass ein Parteiausschluss des früheren Berliner Finanzsenators gerechtfertigt sei. Die Entscheidung ist aber noch nicht rechtskräftig. AFP/nd
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