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Düsterer Optimismus
Bei der Befragung durch den Bundestag fährt die Kanzlerin auf Sicht
Am Vormittag noch hatte Horst Seehofer von einer »wunderschönen Teamarbeit« mit der Bundeskanzlerin gesprochen, als er vor Journalisten der Bundespressekonferenz in Berlin die nächsten Pläne zum Grenzregime in Coronazeiten darlegte. Er sei äußerst zufrieden, dass man sich in der Bundesregierung gut abstimme und dann »gemeinsam marschiert«. Ein solches Verhältnis muss möglicherweise in heftigen Raufereien erarbeitet werden, wie Seehofer sie in den Jahren der Flüchtlingskrise ab 2015 immer wieder mit Angela Merkel angezettelt hat. Im Bundestag jedenfalls will ruppige Gegnerschaft bisher nicht in verbale Umarmungen münden, wie die Kanzlerinnenbefragung am Mittwochmittag zeigte, die seit Beginn dieser Wahlperiode zum regelmäßigen Ritual geworden ist. So sehr die Opposition Angela Merkel auch zu drängen versuchte - zu mehr als freundlich distanzierten Ausweichmanövern ließ die Kanzlerin es nicht kommen.
»Ich bin ja ein aufmerksamer Zeitmensch. Um nicht Genosse zu sagen«, beschied Merkel dem Genossen Harald Weinberg von der Linksfraktion, der ihr eine Zusage für eine Monitoringstelle aus verschiedenen gesellschaftlichen Trägern hatte entlocken wollen. Diese soll nach Vorstellung Weinbergs in außergewöhnlichen Lagen wie der jetzigen Pandemie eine Art Analysezentrum sein, was die Bundeskanzlerin freundlich, aber distanziert zur Kenntnis nahm. Man dürfe ihr entsprechendes Material immer schicken, sie werde es auch lesen.
Dabei war Weinberg ein freundlicher Frager unter den Abgeordneten. Von der AfD musste sich Merkel sagen lassen, dass sie die Wirtschaft ins Chaos gestürzt habe und die Menschen ins Elend und dass die Auflagen zur Coronaepidemie gänzlich überflüssig seien. Dabei war dies die Hauptbotschaft der Kanzlerin gewesen: Optimismus bei gleichzeitiger Warnung vor zu viel Sorglosigkeit. Wir werden mit der Pandemie bis auf Weiteres leben müssen, werde Menschen verlieren und müsse doch Vertrauen pflegen. »Stoppen können wir die Pandemie nicht, aber sie verlangsamen, das können wir.« Bisher sei dies auch nur gelungen, weil »alle, Bürger, Wirtschaft, Staat, zusammengehalten haben«. Mutig und wachsam zugleich müsse man sein und die Entwicklung der Pandemie immer im Blick haben. Es gelte die Grundregeln weiter zu beachten.
Doch so sehr Corona auch dem Leben jetzt die Regeln diktiert - in einer Fragestunde im Bundestag ist der Informationsbedarf groß und die Zeit kurz. So hatte die Regierungschefin Fragen zu den Klimazielen der Unionsfraktion zu beantworten. Oder danach, ob die Renten nicht einseitig wüchsen, wenn sie an die Löhne gekoppelt sind, aber in Coronazeiten nicht mit diesen sinken. Und auch auf eine Frage nach einem Hackerangriff zu antworten, der den Bundestag vor fünf Jahren ereilte und für den inzwischen russische Angreifer verantwortlich gemacht werden. Sie finde das »mehr als unangenehm«, sagte Merkel und nach einer empörten Nachfrage fügte sie hinzu, sie finde es auch »ungeheuerlich«. »Mich schmerzt das. Ich bemühe mich tagtäglich um ein besseres Verhältnis zu Russland.« Das wolle sie auch künftig tun, »aber das macht es natürlich nicht einfacher«.
Doch Corona bestimmte auch diese Stunde im Bundestag. Als Merkel nach Steuererhöhungen zur Finanzierung der Folgekosten gefragt wurde, schloss sie diese nur für den jetzigen Zeitpunkt aus. »Stand heute sind keinerlei Erhöhungen von Steuern und Abgaben geplant«, antwortete Merkel auf eine Frage von AfD-Parteichef Tino Chrupalla. Ob sich das später ändern werde, könne sie noch nicht sagen. »Sonst wären wir ja Zukunftsvorherseher, und das maße ich mir nicht an.« Und dann: »Wir haben die Chance, es gut zu bewältigen. Aber ich sage nicht, dass niemand etwas merken wird.«
Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) hatte soeben eine Reichensteuer ins Gespräch gebracht und damit für Schlagzeilen gesorgt. Das werde »ganz sicher« auch im nächsten Wahlprogramm der SPD stehen, sagte Scholz dem »Tagesspiegel«. Merkel ging dazu nun auf Distanz. Sie spreche sich nicht für eine Vermögensabgabe aus, sagte sie auf eine entsprechende Frage von Fabio De Masi. Darauf fragte der Fraktionsvize der Linken weiter: In der Finanzkrise habe sie gemeinsam mit Finanzminister Peer Steinbrück vor den Kameras garantiert: Die Spareinlagen der Deutschen sind sicher. Ob sie nun mit Finanzminister Scholz gemeinsam garantieren könne, dass keine Renten, keine sozialen Leistungen in ihrer Amtszeit gekürzt werden? Angela Merkel antwortete in düsterem Optimismus: Die Garantie zu den Spareinlagen gelte bis heute fort.
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