Freiberufler im Stich gelassen

Wer in Brandenburg zu spät Corona-Hilfsgelder beantragte, den bestraft die Regierung

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Die rot-schwarz-grüne Landesregierung hatte den in der Coronakrise in Not geratenen Kleinunternehmern Hilfe versprochen, die sie dann nicht gewährt hat. Und dabei soll es bleiben. Am Mittwoch lag dem Landtag ein gemeinsamer Antrag von Linksfraktion und Freien Wählern vor, in dem die Landesregierung aufgefordert wurde, zu ihrem Wort zu stehen, und den unverschuldet in Not geratenen Selbstständigen zu helfen. In einer namentlichen Abstimmung wurde der Antrag zu Fall gebracht. 30 Abgeordnete von Linke, Freien Wählern und AfD stimmten für den Antrag, 46 Abgeordnete von SPD, CDU und Grünen stimmten dagegen.

Was war geschehen? Brandenburg hat am 24. März ein Unterstützungsprogramm aufgelegt und coronageschädigten Selbstständigen einen Ausgleich für entgangene Einnahmen für drei Monate zugesagt. Als dieses Programm gestartet wurde, hieß es auf der Internetseite der zuständigen Investitionsbank des Landes Brandenburg ausdrücklich, dass sich Antragsteller Zeit lassen könnten, weil sie diese Hilfen noch bis Dezember beantragen könnten. Pustekuchen. April, April. Ohne die Öffentlichkeit zu informieren, wurde das Programm klammheimlich wenige Tage später umgestellt und nur noch Beihilfe für erwiesene Betriebsausgaben angeboten. Für ihren Lebensunterhalt aufwenden durften die Selbstständigen das Geld nun also nicht mehr. Es gab jetzt Begünstigte nach den Konditionen der ersten Tage und Menschen, die leer ausgingen, weil sie den offiziellen Zusagen vertraut hatten. Diese Einteilung in jene, denen geholfen wurde, und jene, die damit nicht mehr oder längst nicht in diesem Maße rechnen können, schafft böses Blut. Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) schüttete noch zusätzlich Öl ins Feuer, als er kühl darauf hinwies, Selbstständige in Schwierigkeiten könnten ja Hartz IV beantragen. 218 Millionen Euro seien ausgezahlt worden. Er wolle zugeben, dass Probleme aufgetreten seien, insbesondere kommunikativer Art.

Linksfraktionschef Sebastian Walter nannte das »den blanken Hohn«. Schon am ersten Tag seien 22 000 Anträge eingereicht worden. Gefolgt sei ein heilloses Fiasko. Insgesamt gingen 750 000 Anträge auf Coronahilfen ein - 55 000 davon gestellt durch Kleinunternehmer und Selbstständige. Diese haben Walter zufolge der Landesregierung vertraut. Nur einen Tag später habe diese »mir nichts, dir nichts« die neue Verordnung in Kraft gesetzt. »Für die Selbstständigen in Brandenburg begann das Chaos«, sagte Walter. Diese Politik erzeuge einen Vertrauensverlust, der alle treffen werde. »Sie haben darauf spekuliert, dass der Bund die Kosten übernimmt. Hat er aber nicht.« In anderen Bundesländern stand die Politik Walter zufolge zu ihrem Wort. »Sie drohen sogar mit Strafverfolgung«, warf Walter der Regierung vor. Dies für den Fall, dass Empfänger das Geld doch nicht nur für Betriebsausgaben verwenden.

Der Abgeordnete Philip Zeschmann (Freie Wähler) erinnerte daran, dass der Wirtschaftsausschuss des Landtags einen Überbrückungszuschuss für drei Monate beschlossen hatte. Aber »wir haben nicht mit der Kaltschnäuzigkeit dieser Lügen-, äh Landesregierung gerechnet«.

Der Abgeordnete Helmut Barthel (SPD) sagte »als Unternehmer«, eine Firma müsste auch unter schwierigen Bedingungen drei Monate am Markt überstehen können. Millionen Euro seien ausgezahlt worden. Und im übrigen solle man die Grundsicherung (Hartz IV) nicht diskreditieren.

Frank Bommert (CDU) meinte, die Unternehmen würden der Linkspartei nicht abnehmen, dass sie sich jetzt als deren Retter aufspiele. »Es gilt, Maß zu halten.«

Heiner Klemp (Grüne) bedauerte: »Ja, wir haben gekämpft, aber wir haben verloren.«

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