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Wie das Steuerloch gestopft werden soll
SPD-Chef Borjans: Ohne Steuererhöhungen geht es nicht / Linke-Vorsitzende Kipping: Schuldenbremse kippen / Rehberg (CDU): Sonderabschreibungen statt Steuererhöhungen
Berlin. Die Coronakrise lässt sich aus Sicht der SPD-Spitze nur mit höheren Steuern und Abgaben bewältigen. Wenn der Staat seine Neuverschuldung in Grenzen halten wolle, müsse es zumindest in einigen Bereichen höhere Einnahmen geben, sagte Parteichef Norbert Walter-Borjans der »Passauer Neuen Presse« am Freitag. »An dieser Logik führt kein Weg vorbei. Alles andere geht nach Adam Riese nicht.« Nach der Krise gelte es daher, Steuerschlupflöcher zu schließen und einen höheren Beitrag von Top-Einkommen und Top-Vermögen zu verlangen, sagte er - ohne Details oder konkrete Summen zu nennen.
Hintergrund ist, dass die Coronakrise ein riesiges Loch in die Staatskassen reißt. Die Steuerschätzer rechnen damit, dass in diesem Jahr 81,5 Milliarden Euro weniger Steuern reinkommen als im vergangenen Jahr - ein Minus von mehr als zehn Prozent.
Auch Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz sagte im ZDF-»heute journal«, eine Debatte über eine Vermögensabgabe sollte nach der Krise geführt werden. Im letzten Wahlprogramm habe die SPD auch auf sein Betreiben hin gefordert, dass diejenigen, die »sehr, sehr, sehr viel« verdienten, einen höheren Beitrag leisten müssten.
Der Fraktionschef der SPD im Bundestag, Rolf Mützenich, erinnerte an das Instrument des Lastenausgleichs nach dem Zweiten Weltkrieg. Anfang der 50er Jahre wurden alle Vermögen über 5000 D-Mark mit einer Abgabe von 50 Prozent belastet, die Zahlungen allerdings über 30 Jahre gesteckt. Mützenich sagte: »Die Solidarität der ganzen Gesellschaft wird auch jetzt erforderlich sein. Ich bin sehr für einen Lastenausgleich, um die Folgen der Coronakrise zu überwinden.« Doch gebraucht werde ein kluges Modell für die jetzige Situation. »Es muss so gestaltet sein, dass Reiche ihren Beitrag einbringen, damit genügend Gerechtigkeit hergestellt wird«, sagte Mützenich. Die Erfahrung der Pandemie mache die Gesellschaft gemeinsam - genau wie im vergangenen Jahrhundert die Erfahrung verheerender Kriege.
Die Vorsitzende der Linken, Katja Kipping, forderte angesichts der Steuerausfälle, die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse zu kippen. Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Freitag) sagte sie, ansonsten müsse Deutschland harte Tilgungspläne umsetzen; damit drohten »Kürzungsarien in Bildung, Kultur, Sozialem und Naturschutz«. Zweitens plädierte sie für eine einmalige Vermögensabgabe. Das reichste Prozent der Bevölkerung solle »beginnend mit zehn Prozent« zur Kasse gebeten werden.
Scholz hatte am Donnerstag betont, dank einer sehr soliden Haushaltspolitik sei die Regierung in der Lage, mit der Krisensituation umzugehen. Die Regierung werde Anfang Juni ein Konjunkturprogramm vorlegen, das im Zuge der schrittweisen Corona-Lockerungen neuen Schwung für die Wirtschaft und damit Wachstum bringen solle. Das Programm dürfte Milliarden kosten, Scholz will aber zurzeit nichts zum Volumen sagen. Die Regierung könne sich aber das, was sie sich vorgenommen habe, leisten.
Mützenich forderte eine ökologische Ausrichtung des Konjunkturpakets. »Wir dürfen nicht auf alte Technologien setzen, sondern müssen Anreize schaffen, um gleichzeitig die Klimaziele zu erreichen«, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Insbesondere eine Abwrackprämie für die Autoindustrie wie in der Finanzkrise lehnte er ab.
Das Finanzministerium beziffert die Kosten der Corona-Hilfspakete inzwischen auf 453,4 Milliarden Euro allein im Jahr 2020. Dazu kommen Garantien über mehr als 800 Milliarden Euro, die möglicherweise auch noch greifen müssen, wenn Unternehmen ihren Kreditverpflichtungen nicht nachkommen können.
Der Chefhaushälter der Unionsfraktion, Eckhardt Rehberg (CDU), wandte sich gegen die Vorschläge von SPD und Linken. »Steuererhöhungen sind Gift, das gilt sowohl für die Vermögensabgabe als auch für die Reichensteuer. Stattdessen sollten wir Sonderabschreibungen für Unternehmen einführen, die gezielt in den Klimaschutz und Digitalisierung investieren«, sagte er der »Rheinischen Post«.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) erwartet härtere Zeiten nach der Coronakrise. »Ohne Sparsamkeit, Selbstdisziplin und Entlastungen für die Wirtschaft wird es nach der Krise nicht gehen«, sagte Altmaier dem »Handelsblatt« (Freitag). Er zeigte sich jedoch optimistisch, dass ein Abbau der nun in den Haushalten aufgenommenen Schulden gelingen werde: »Das haben wir auch nach der Banken- und Börsenkrise geschafft.« Die Selbstheilungskräfte der deutschen Wirtschaft seien enorm. dpa/nd
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