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Kein Burger auf der Speisekarte
Corona in der US-Fleischbranche: Wegen Infektionen in Schlachtbetrieben wird weniger Fleisch produziert - und die Preise steigen
Fast-Food-Ketten in den USA streichen derzeit Hamburger aus ihren Menüs. Supermärkte schränken den Fleischverkauf ein, Restaurants haben die Preise für Steaks stark angehoben. Im Land des Fleischkonsums ist das Fleisch knapp, was auf Probleme in der Lieferkette zurückzuführen ist.
Die großen Lebensmittelverarbeiter kämpfen um die Befriedigung der Nachfrage, da sich das Coronavirus unter den Beschäftigten in ihren Betrieben, die auf engstem Raum zusammen arbeiten, wie ein Lauffeuer ausbreitet. »Ich wachte etwa um 2 Uhr morgens mit diesem Schmerz in meinem Körper auf, der sich anfühlt, als hätte jemand auf mich eingestochen«, berichtete Achut Deng, Mitglied der Branchengewerkschaft United Food and Commercial Workers International Union. Als er duschen wollte, »fühlte es sich an, als ob ein Haufen Steine auf meinen Körper geworfen würde«.
Deng, Einwanderer aus dem Sudan, war einer von 800 Arbeitern in einer Smithfield-Anlage in Sioux Falls im Bundesstaat South Dakota, die sich mit dem neuartigen Coronavirus infizierten. Das Werk produziert etwa fünf Prozent des Schweinefleischs in den USA. Als Gouverneur Kristi Noem, ein Republikaner, das Werk schließen wollte, ordnete sein Parteifreund, Präsident Donald Trump, an, die Fabrik offenzuhalten, um die Versorgung zu stabilisieren.
Mehr als 5000 Arbeiter in Fleischverarbeitungsbetrieben haben sich nach jetzigem Stand mit dem Virus infiziert. Etwa 20 sind gestorben. Arbeitsniederlegungen und 22 Betriebsschließungen in den vergangenen Wochen haben allein die Rindfleischproduktion nach Gewerkschaftsangaben um rund zehn Prozent verringert.
»Stellen Sie sich diese Betriebe, die zusammen etwa 3000 Beschäftigte haben, wie ein Kreuzfahrtschiff vor«, sagte der für öffentliche Gesundheit zuständige Kommissar Norman Oliver aus Virginia. »Was passiert, ist, dass jeden Tag ein Kreuzfahrtschiff mit Hunderten von Covid-19-Patienten von Bord geht.«
Als Ergebnis der Lieferprobleme sind die Rindfleischpreise laut den jüngsten verfügbaren Daten des US Bureau of Labor Statistics im März um mehr als sieben Prozent angestiegen. Das trifft Geringverdiener hart: »Alles ist teurer, vor allem aber Fleisch«, sagte Bolivien Alulema, eine Hausfrau in New Jersey, die mit ihrem Mann, zwei Töchtern und vier Enkeln lebt. »Irgendjemand wird etwas unternehmen müssen. Wir können nicht weiterhin so viel ausgeben.«
Die beliebte Fast-Food-Kette Wendy’s, die in mehr als 1000 Filialen landesweit frische Rindfleischpasteten für ihre Burger verwendet, teilte jetzt mit, dass die Kosten seit Anfang April von 0,25 Dollar pro Pfund auf 1,93 Dollar (1,79 Euro) gestiegen seien. »Es ist weithin bekannt, dass Rindfleischlieferanten in ganz Nordamerika derzeit mit Produktionsproblemen konfrontiert sind«, so das Unternehmen. »Unsere Speisekarten können in einigen Restaurants in der gegenwärtigen Situation vorübergehend eingeschränkt sein.«
Die Landwirte züchten jedoch nach wie vor Rinder und anderes Vieh. Weil die Verarbeitungsbetriebe die Tiere nicht schlachten und das Fleisch nicht verschifft werden kann, haben die Landwirte bereits Millionen von Schweinen und Hühnern eingeschläfert. Dass Restaurants im ganzen Land schließen mussten, hat auch separate Lieferketten unterbrochen, die über Großhändler laufen, die Hauptabnehmer mancher Bauern sind.
»Im ganzen Land können jede Woche 700 000 Schweine nicht verarbeitet werden und müssen human eingeschläfert werden«, schrieb der republikanische Gouverneur von Iowa, Kim Reynolds, in einem Brief, in dem er Trump um finanzielle Hilfe für die Agrarindustrie bat.
Inzwischen hat das Unternehmen Tyson Foods in all seinen riesigen Fleischverpackungsbetrieben im gesamten Mittleren Westen Plastikschilder zwischen den Arbeitsplätzen an den Fließbändern aufgestellt, um die Ausbreitung des Coronavirus zu stoppen. Gewerkschaftsführer sagten, solche Maßnahmen seien die bestmöglichen.
Gouverneure in republikanisch regierten Bundesstaaten, in denen der Fleischsektor eine wichtige Rolle spielt, schmieden derweil Pläne, den Lockdown der Wirtschaft zu beenden. Auch wenn die größten Betriebe nicht wissen, ob sie weitere Ausbrüche vermeiden oder eindämmen können.
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