Hongkonger Polizei entlastet sich
Untersuchungsbericht weist Gewaltvorwürfe zurück
Die Aufsichtsbehörde der Hongkonger Polizei hat die Sicherheitskräfte vom Vorwurf der Polizeigewalt bei den Massenprotesten im vergangenen Jahr entlastet. Die Anschuldigungen gegen Polizeibeamte seien eine Waffe des politischen Protests und ein Resultat einer Onlineschmutzkampagne, heißt es in einem am Freitag veröffentlichten Bericht des Aufsichtsgremiums IPCC. Die Forderung der Demonstranten nach einer unabhängigen Untersuchung der Polizeigewalt wies die Behörde zurück.
Die Proteste seien von einem Hass auf die Polizei getrieben gewesen, heißt es in dem IPCC-Bericht weiter. Dieser Hass habe vor allem im Internet großen Widerhall gefunden. »Während sie der Polizei ›Brutalität‹ vorwerfen, scheinen die Demonstranten ihre eigene Gewalt, ihren Vandalismus und ihre Selbstjustiz zu ignorieren.«
Das Aufsichtsgremium der Hongkonger Polizei steht seit Jahren wegen mangelnder Unabhängigkeit in der Kritik. Menschenrechtler kritisieren, dass es vor allem aus ehemaligen Polizisten und der Regierung nahestehenden Beamten besteht und nicht über ausreichende Ermittlungskompetenzen verfügt. So kann die Behörde beispielsweise keine Zeugen vorladen. Der IPCC soll zwar Missstände aufdecken, besitzt allerdings nicht die Macht, gegen Einsatzkräfte vorzugehen. Eine Gruppe ausländischer Berater, die von der Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam beauftragt wurde, das IPCC beim Erstellen des Berichts zu unterstützen, war schon im Dezember zurückgetreten. Sie kritisierten, dass es dem Gremium an Befugnissen, Kapazitäten und unabhängigen Ermittlungsfähigkeiten mangele.
Der Bericht, der explizit nicht die Prüfung von Beschwerden oder die Untersuchung des Verhaltens einzelner Polizisten zum Auftrag hatte, räumt ein, dass das Vorgehen der Polizei verbessert werden kann. Hierzu werden 52 Empfehlungen gegeben, darunter eine Überarbeitung der operativen Kommandostruktur, mehr Training für Beamte und genauere Anweisungen für den Gebrauch von Waffen.
Die Massenproteste mit Millionen Teilnehmern hatten die chinesische Sonderverwaltungszone im vergangenen Jahr über Monate in Atem gehalten und waren erst in diesem Jahr mit dem Aufkommen des Coronavirus abgeebbt. Die zunächst friedlichen Demonstrationen für mehr Demokratie und weniger Einfluss der chinesischen Zentralregierung in Hongkong schlugen im Laufe der Zeit immer öfter in Gewalt um. Demonstranten warfen Steine und Benzinbomben auf Polizisten, diese reagierten mit dem Einsatz von Tränengas und Gummigeschossen. Im Internet verbreiteten sich Videos von Polizisten, die Demonstranten mit Schlagstöcken verprügelten oder Tränengas in voll besetzte U-Bahnzüge sprühten.
Aktivisten und internationale Menschenrechtsorganisationen forderten eine unabhängige Untersuchung der Polizeigewalt. Dies wies die IPCC jedoch zurück. Auch Regierungschefin Carrie Lam schloss erneut aus, eine unabhängige Kommission zur Untersuchung der Gewalt einzuberufen. Lam sagte, sie sei nicht so naiv zu glauben, dass die Veröffentlichung des Berichts ein Ende der sozialen Unruhen bedeute. Sie versprach, die Empfehlungen des Berichts prüfen und gegebenenfalls umsetzen zu lassen. Sie sagte auch, dass geprüft werden solle, ob Polizeibeamte zukünftig im Einsatz Identifikationsnummern tragen sollten. Kommentar Seite 6
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