Jederzeit wieder!
Best of Menschheit, Folge 20: Der Hetero-Mann
Vor die hypothetische Wahl gestellt, ein weiteres Leben irgendwann und irgendwo in der Menschheitsgeschichte führen zu dürfen, würde ich stets darauf bestehen, das abermals als Heteromann zu tun. Es ist das Paket aus Geschlecht und Sexualität, bei dem bisher die Vorteile bei weitem die Nachteile überwiegen. Gut, egal in welchem Menschenjahrzehnt, auf welchem Erdengrund man als Mann lebte, die Gefahr wäre groß, Soldat sein zu müssen - aber so zu tun, als sei für alles Weiblichere als das Soldatengezücht Krieg harmloser, wäre nun auch dumm.
Ein weiteres Mal darauf zu verzichten, Kinder gebären zu können - was schon eine beneidenswerte Art Superkraft ist, wenn auch wiederum nicht das »Wunder«, von dem die Komsumidiotie so gerne faselt -, fiele auch nicht allzu schwer. Mal abgesehen davon, dass man Frauen nicht aufs Gebären reduzieren kann und das Gebären nicht auf Frauen, hat die männlich dominierte Menschheit auch aus ihrem ursprünglichen Ereignis vor allem etwas gemacht, bei dem Mütter still zu funktionieren haben, obwohl es sich um einen körperlich denkbar brutalen Vorgang handelt. Konnte der Mann durch die meisten Jahrhunderte das einfach ignorieren, kann er sich nun im seltsamen Konglomerat aus überzogenen Erwartungen, esoterischem Schmerzkult und biologistischem Quatsch, mit dem im Kapitalismus Geburten verkauft werden, die Highlights rauspicken. Wer einmal beobachtet hat, wie werdende Väter im Kreißsaal Hebammen mit ergoogeltem Viertelwissen ihre Tätigkeit erklären wollen, ahnt, wie aus der Hilf- und Nutzlosigkeit des Mannes stets zaub’risch ein gut geschütztes Überlegenheitsgefühl wird. Es ist herrlich.
Die Menschheit hat im Kapitalismus zu sich gefunden und mit dem, was euphemistisch »Klimawandel« genannt wird, zu ihrem Ende. Zeit also, kurz vor Schluss zurückzublicken auf ein paar Tausend Jahre Zivilisation und all das, was trotz allem gar nicht so übel war.
Auch der Umstand, dass derzeit Gebärende einen Mundschutz tragen müssen, bei einem Vorgang, der über die Grenzen des physisch Erträglichen zu gehen vermag, während Bundesligafußballer sich schutzutensiluneingeschränkt um Gegenspieler wickeln dürfen, wäre in keiner als einer angenehm unreflektierten patriarchalen Gesellschaft denkbar. Die aber auch noch nie wissen musste, warum sie alles Unmännliche quält; sie tut es halt aus routinierter Selbstverständlichkeit.
Zugegeben, früher, als alles besser war, musste ein Mann nicht gelegentlich Genanz vorschützen fürs kompromisslose Alleshabenwollen. Aber das bisschen Verlust kann man verknusen. Wenn zum Beispiel zwei Pro7-Ulkmacker ein Werbevideo gegen männliche Alltagsgewalt unter dem Titel »Männerwelten« von Frauen erstellen lassen, kann Mann sich hoch betroffen mitempören, in der - natürlich ganz leisen - Hoffnung, das ergebe einen Begattungsbonus bei den Zuhörerinnen. Er kann den Überlegenen geben, wenn die ihm Subalternen dann über Repräsentation des alltäglichen Schmerzes diskutieren oder streiten, weil es so wenige Momente gibt, wo diese möglich ist. Er kann das alles benennen (so wie ich hier), also die eigenen gezinkten Karten offenlegen - und verliert wiederum nichts. Noch die oberflächlichste zwischenmenschliche Beziehung ist seit Jahrtausenden durchwirkt vom Primat des Männlichen, so dass noch bei der wirksamsten Anklage des Verhaltens, das praktisch jeder Mann entweder schon selbst gezeigt hat oder toleriert, kaum Bedrohliches je passiert.
So wie auch der Körper des Mannes, dieser aufgemotzte Sack Samen, vergleichsweise wenig gefährdet ist. Dafür sorgen auf ihn ausgerichtete gesellschaftliche Ertüchtigung, Entspannung und Behandlung, was dem Mann ermöglicht, seinen Spaß in lustgesteuertem autodestruktivem Verhalten zu suchen.
(Hetero-)Mannsein ist die phantastische Reise in einem verrückten Körper, ein Pendeln zwischen einem selten gestraften Arschlochsein und hoch gepriesenen Bisschenwenigerarschlochsein. Es ist toll. Jederzeit wieder!
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