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Warten auf die Enteignung
»Deutsche Wohnen & Co enteignen« reicht Untätigkeitsklage gegen Berliner Senat ein
»Wir wollen den Senat zum Handeln zwingen!«, ruft Moheb Shafaqyar unter lautem Jubel. Rund 50 Demonstrant*innen haben sich vor dem Berliner Verwaltungsgericht versammelt, wo die Initiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen« am Montag Untätigkeitsklage gegen den Senat einreicht. Mit Sicherheitsabstand und gelben Atemschutzmasken mit der Aufschrift »Gesundheit? Wohnraum!« fordern sie in lauten Sprechchören: »Enteignung jetzt!« Einige von ihnen verteilen mit langen Greifern Flyer an Passant*innen. Als die Klageschrift schließlich feierlich in den Briefkasten des Verwaltungsgerichts geworfen wird, ertönt aus den Lautsprecherboxen der Kult-Song »Das ist unser Haus« von Ton Steine Scherben.
So ausgelassen die Stimmung ist, so ernst ist der Anlass. Mit der Klage will »Deutsche Wohnen & Co enteignen« den Senat auf juristischem Wege zwingen, endlich über die Zulässigkeit des geplanten Volksbegehrens zur Enteignung großer Wohnungskonzerne zu entscheiden. Geht es nach dem Willen der Aktivist*innen und dem der fast 80 000 Berliner*innen, die bislang für das Volksbegehren unterschrieben haben, soll der Senat ein Gesetz erarbeiten, durch das renditeorientierte private Wohnungsunternehmen, die mehr als 3000 Wohnungen in Berlin besitzen, vergesellschaftet werden.
Seit mehr als 300 Tagen liegt das Volksbegehren der Initiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen« der Senatsinnenverwaltung zur Prüfung vor.
In der ersten Stufe im Sommer 2019 waren 77 001 Unterschriften gesammelt worden. In der zweiten Stufe müssen die Aktivist*innen über 170 000 gültige Unterschriften zusammentragen. Die kann aber erst starten, sobald die zuständige Verwaltung von Innensenator Andreas Geisel (SPD) die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Begehrens abschließt.
Sechs Untersuchungen kommen bislang zu dem Schluss, dass das Volksbegehren rechtmäßig ist. Nur eine Expertise im Auftrag des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen behauptet das Gegenteil. Zuletzt war der renommierte Staatsrechtler Joachim Wieland ebenso wie der Wissenschaftliche Dienst des Abgeordnetenhauses in einem Gutachten zu dem Schluss gekommen, dass die Vergesellschaftung von privaten Wohnungsgesellschaften laut Artikel 15 des Grundgesetzes zulässig ist. mfr
Seit mehr als 300 Tagen liegt das Volksbegehren nun schon der zuständigen Senatsverwaltung von Innensenator Andreas Geisel (SPD) zur rechtlichen Prüfung vor. Erst wenn diese grünes Licht gibt, kann die Initiative mit der zweiten Phase beginnen, in der sie innerhalb von vier Monaten über 170 000 gültige Unterschriften sammeln muss. »Die Verschleppungsstrategie des Senats in Sachen Volksbegehren ist eine Zumutung für die Direkte Demokratie«, sagt Moheb Shafaqyar, Sprecher der Initiative. »Die rechtliche Prüfung darf nicht dafür dienen, unliebsamen Initiativen den Wind aus den Segeln zu nehmen.« Er hofft, dass das Verwaltungsgericht dem Senat Grundsätze für eine Höchstfrist für Volksbegehren setzt.
Dass der Senat für die rechtliche Prüfung überhaupt so lange braucht, ist für Shafaqyar politisch motiviert. »Eigentlich ist die Frage längst geklärt, mehrere Gutachten bestätigen unser Anliegen«, sagt er dem »nd«. Tatsächlich hatten im Vorfeld mehrere rechtliche Stellungnahmen, unter anderem der wissenschaftlichen Dienste von Bundestag und Abgeordnetenhaus, die Verfassungsmäßigkeit des Volksbegehrens bestätigt. Susanna Raab, Sprecherin der Initiative, ist verärgert: »Unsere Teams für das Sammeln der Unterschriften stehen in den Startlöchern. Dass der Senat uns weiter warten lässt, ist nicht mehr zumutbar. Auch direkte Demokratie ist systemrelevant!«
Der rot-rot-grüne Koalitionsausschuss hatte im Februar eigentlich verabredet, das Gespräch mit der Initiative zu suchen. Ein entsprechendes Einladungsschreiben hat »Deutsche Wohnen & Co enteignen« bisher aber nicht erreicht. Moheb Shafaqyar vermutet, dass die Verzögerung ein Versuch ist, sich erst nach den Abgeordnetenhauswahlen im nächsten Jahr mit dem geplanten Volksbegehren zu befassen.
Während Linkspartei und Grüne das Vorhaben unterstützen, ist die SPD, allen voran ihr Regierender Bürgermeister Michael Müller, dagegen. »Die SPD ist fest entschlossen, das zu verhindern«, glaubt Shafaqyar. Die Senatsinnenverwaltung hatte den Vorwurf der Verschleppung in der Vergangenheit immer zurückgewiesen, war auf nd-Anfrage jedoch nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
Wie geht es jetzt weiter? Das Verwaltungsgericht werde in einem ersten Schritt nun zunächst Akteneinsicht beantragen und den Senat gegebenenfalls um eine Stellungnahme bitten, erklärt Shafaqyar. Wie lange das dauert, ist unklar. Die Aktivist*innen sind jedoch fest entschlossen, sich nicht weiter hinhalten zu lassen. »Zur Not stellen wir noch einen Eilantrag«, sagt Shafaqyar.
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