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Zwischen Ethik und Esoterik
In der ökologischen Landwirtschaft ist der anthroposophische Glaube weit verbreitet. Der Geschäftsführer der Naturkostmarke Rapunzel verbreitete nun fragwürdige Covid-19-Thesen
In seiner regelmäßigen »Wochenbotschaft« vom 20. April schrieb der Geschäftsführer von Rapunzel und dessen Tochterunternehmen Zwergenwiese, Joseph Wilhelm, über Zwangsimpfungen gegen Corona, das schüren von Todesängste aus kommerziellen Gründen und weitere verschwörungsideologische Andeutungen. So erklärte er, dass ein Impfstoff gegen Covid-19 »weitaus höhere Todeszahlen wie jetzt« nicht verhindern könne. Dennoch rechne er damit, dass es einen »Wunderimpfstoff« geben werde, »der uns hoffentlich nicht zwangsweise verordnet wird«. Denn profitieren würden davon nur einige wenige Pharmakonzerne, so der Rapunzel-Chef. Stattdessen vermisse er einen »Hinweis darauf, dass eine gesunde Lebens- und Ernährungsweise den besten Schutz gegen Infektionskrankheiten darstellt«.
Viren und Epidemien beschreibt Wilhelm als »Teil des biologischen Lebens auf unserer Erde«, die »ihren Beitrag zur Weiterentwicklung des selbigen und der menschlichen Anatomie und Psyche« leisten würden. Das Leben sei nun mal endlich, die Angst vor dem Tod sei »überflüssig«. Die Angst vor Corona bezeichnet er als »geschürt«. Das Tragen von Masken empfinde er als »höchste Form von Demütigung«, schreibt er in einem späteren Brief und stellt den Vergleich »Masken=Maulkorb=Unterwerfung« auf.
Tatsächlich ist innerhalb ökologisch orientierter Unternehmen eine anthroposophische Weltanschauung weit verbreitet und selbst der Glaube an Verschwörungstheorien keine Seltenheit: Besonders die Barcode-Verschwörung war bei Marken, wie dem Bio-Getränkehersteller Voelkel oder der Fruchtsaftmarke Rotbäckchen, lange verbreitet. Angeblich würde die schwarzen, senkrechten Striche zum Einscannen der Produkte negative Energie ausstrahlen. Diese schadeten der Gesundheit. Um die Codes zu »entstören«, druckten die Hersteller einen Querstrich auf den Barcode, zudem gibt es »Entstörstifte« zu kaufen.
Überzeugungen dieser Unternehmen und ökologische Wirtschaftsweisen, wie die biologisch-dynamische Landwirtschaft, gehen zurück auf den Esoteriker Rudolf Steiner. Der 1861 im heutigen Kroatien geborene und 1925 in der Schweiz gestorbene selbsternannte »Hellseher« begründete die Anthroposophie - eine spirituelle Weltanschauung. Auf Grundlage seiner Lehre entwickelte er Konzepte für verschiedene Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, wie die Waldorfpädagogik, anthroposophische Medizin, die Bewegungskunst Eurythmie oder auch den biodynamischen Anbau, wie er vom Anbau-Verband Demeter betrieben wird.
»In der Biologisch-Dynamischen Agrarkultur wird von der Erkenntnis ausgegangen, dass Leben nicht nur aus Stoffgeschehen besteht, sondern eine über die Materie hinausgehende Wirklichkeit ist«, heißt es in den Erzeuger-Richtlinien von Demeter. Angebaut wird unter Berücksichtigung astronomischer Konstellationen und dem Mondzyklus. Kompostpräparate, wie Kuhhörner, Innereien, Kristalle oder Tierschädel, würden dabei wesentlich zur Weiterentwicklung von Boden, Pflanzen und Tieren beitragen, »indem sie diese für die kosmischen und geistigen Kräfte öffnen«, heißt es in den Richtlinien.
Die Anthroposophie ist heute »eine esoterische Großmacht«, erklärt Helmut Zander, Professor für Religionsgeschichte an der Theologischen Fakultät der Universität Fribourg, in einem Interview mit dem »Deutschlandfunk« im November. Nicht nur Waldorfschulen und Demeter-Höfe, sondern auch Krankenhäuser, Drogeriemärkte, Kosmetikfirmen, Banken und Versicherungen - sie alle würden anthroposophisch arbeiten, so Zander. Gemeint sind unter anderem die Drogeriemarktkette dm, die Biomarke Alnatura, die Naturkosmetikmarke Weleda oder auch die Ethikbank GLS.
Die verschwörungstheoretischen Äußerungen von Joseph Wilhelm, aber auch dem Vegan-Koch Attila Hildmann, haben nun zunehmend Konsequenzen: Die Schweizer Supermarktkette Coop hat sich entschieden, Produkte von Rapunzel nicht mehr zu vertreiben und die deutsche Biomarktkette Denn‘s entfernte die Produkte von Hildmann aus den Regalen.
Am Dienstag äußerte sich Wilhelm zu der entgegengebrachten Kritik: So würden einige der Aussagen auch ihm rückwirkend »überzogen« erscheinen, schreibt er in einer persönlichen Stellungnahme am Montag. Auch distanzierte er sich von den Aktivitäten Attila Hildmanns. Die Zusammenarbeit mit Hildmann habe man bereits 2015 beendet.
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