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Damit Corona nicht die Verkehrswende infiziert
In vier Berliner Bezirken wird für Pop-up-Radspuren demonstriert - die langfristig bleiben sollen
In vier Bezirken haben am Samstag Aktivisten anlässlich des »Aktionstags Pop-up-Radspuren« für deren Ausweisung demonstriert. Bundesweit gab es an diesem Tag rund 40 Demonstrationen, der Berliner Auftakt fand um elf Uhr auf der Berliner Straße in Reinickendorf statt.
Aufgerufen hatte ein Bündnis ökologisch orientierter Vereine, darunter Greenpeace, der Verkehrsclub Deutschland (VCD) sowie der Fahrradclub ADFC. »Wir demonstrieren bewusst in Bezirken, in denen es Radfahrende besonders schwer haben. Hier trauen sich Menschen nicht auf das Rad, weil sie schlichtweg Angst vor dem Pkw-Verkehr haben«, erklärte Ragnhild Sørensen, Sprecherin des aus dem Berliner Volksentscheid Fahrrad hervorgegangenen Vereins Changing Cities.
Demonstriert wurde durch die Einrichtung vorübergehender Radstreifen nicht nur in Reinickendorf, sondern auch auf der Weddinger Müllerstraße, der Kaiser-Friedrich-Straße in Charlottenburg sowie der Neuköllner Hermannstraße. Menschen und Pylonen grenzten die Radspuren vom Autoverkehr ab.
»Um Menschen in der Coronakrise zu schützen, müssen Städte mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger freigeben«, sagt Marion Tiemann, Verkehrsexpertin von Greenpeace. »Die rechtlichen Möglichkeiten für sichere Radwege sind da, der Bedarf auch. Was fehlt, ist der politische Wille.«
Das beweist auch die zuständige Reinickendorfer Bezirksstadträtin Katrin Schultze-Berndt (CDU). Die vom Senat propagierten und geförderten Pop-up-Radwege seien, wie das Beispiel in der Kantstraße in Charlottenburg zeigt, wenig durchdacht und vor allem ideologisch motiviert, erklärt sie. Tatsächlich war die unübersichtliche und zugeparkte Spur auf der Kantstraße ein Schnellschuss. In Friedrichshain-Kreuzberg, wo bereits 15 Kilometer Corona-Radspuren abmarkiert wurden, sind derartige Probleme noch nicht aufgetreten. Diese Woche sollen dort auch auf der Frankfurter Allee Radfahrer mehr Platz erhalten. Viele dieser Pop-up-Radwege sollen auch nach der Coronakrise bleiben, sagte Verkehrs-Staatssekretär Ingmar Streese (Grüne) am Samstag im RBB-Inforadio.
Die Wegnahme einer Fahrspur für Pop-up-Radwege auf den Hauptstraßen würde deren Leistungsfähigkeit einschränken, befürchtet die CDU-Stadträtin, zumal sich der Fahrzeugverkehr mittlerweile wieder normalisiert und vielerorts durch die zurückgegangene Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln aufgrund der Corona-Pandemie sogar gesteigert habe.
Genau das wollen die Aktivisten aber nicht hinnehmen. »Damit Corona nicht auch die Verkehrswende infiziert, müssen Städte verhindern, dass Menschen wieder in Autos gezwungen werden«, sagt Greenpeace-Verkehrsexpertin Tiemann. Das gelinge über die Umverteilung des Verkehrsraums, ist sie überzeugt.
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