Werbung

Die Wut explodiert

Der Tod von George Floyd führte zu Ausschreitungen

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Dutzende geplünderte Läden und brennende Häuser, eine gestürmte Polizeiwache und Beamte, die sich vorübergehend aus einem Stadtviertel zurückziehen: Die Bilder von drei Tagen Protesten in Minneapolis zeigen eindrücklich die Wut über die Ermordung von George Floyd. Millionen US-Amerikaner haben das Video von seiner Festnahme in den sozialen Netzwerken gesehen. Es zeigt, wie der weiße Polizist Derek Chauvin minutenlang auf dem Hals des Schwarzen kniet, bis dieser ohnmächtig wird. Und das, obwohl Passanten Chauvin aufforderten, von dem Mann abzulassen. Floyd starb kurze Zeit später in einem Krankenhaus. Er war von der Polizei gestoppt worden, weil jemand zuvor in einem Laden mit einem gefälschten 20-Dollar-Schein bezahlt hatte. Videos zeigen, dass Floyd bei seiner Festnahme keinen Widerstand leistete.

Zunächst gab es vor der zuständigen Polizeiwache und am Tatort friedliche Proteste. Doch nachdem Polizeibeamte mit Tränengas und Gummigeschossen gegen Demonstranten vorgegangen waren, kam es zu Ausschreitungen. Am Mittwochabend gab es Attacken gegen Polizeiautos und Steinwürfe auf den »3rd Police Precinct«. Donnerstagnacht stürmten Demonstranten die Befestigungen rund um das Polizeirevier, die gerade erst zu dessen Schutz errichtet worden waren, und setzten es in Brand. Wie am Freitag bekannt wurde, hatte Jacob Frey, der Bürgermeister der Stadt, der Polizei befohlen, sich zurückzuziehen.

Sowohl Mittwoch- als auch Donnerstagnacht kam es bei den Protesten zu umfangreichen Plünderungen. Mehrere Gebäude wurden angesteckt und brannten zum Teil komplett nieder. Ein Mann starb. Er wurde offenbar von einem Ladenbesitzer erschossen. In einem Dutzend Großstädte in den USA kam es in den letzten Tagen ebenfalls zu teils militanten Solidaritätsprotesten. Über ihren Anwalt ließ Familie Floyd erklären, man wolle »Frieden, aber wir wissen, bis es Gerechtigkeit gibt, kann es keinen Frieden geben«.

Bereits vor dem gewaltsamen Tod von George Floyd hatte es 18 Bürgerbeschwerden gegen Derek Chauvin gegeben. Nur in einem Fall kam es deswegen zu einer Rüge in Briefform gegen den Beamten. Laut einer lokalen Bürgerrechtsorganisation starben in den Vorjahren vier Menschen bei Polizeieinsätzen, an denen Chauvin beteiligt war. Zu einer juristischen Überprüfung dieser Einsätze kam es nicht, auch weil die von 1999 bis 2008 dafür zuständige Staatsanwältin Amy Klobuchar dies ablehnte. Sie ist heute Senatorin für Minnesota und aktuell im Gespräch als mögliche Vizepräsidentschaftskandidatin von Joe Biden.

Minnesotas Gouverneur Tim Walz erklärte am Donnerstag den Notstand für Minneapolis und entsandte 500 Nationalgardisten. Diese griffen jedoch in der Nacht zu Freitag nicht ein. Genau das forderte aber US-Präsident Donald Trump mit einer historischen Drohung, erstmals ausgesprochen vom Polizeichef von Miami 1967 gegen schwarze Protestler: »Wenn ihr plündert, schießen wir.« Twitter labelte den Tweet als »gewaltverherrlichend«, setzte eine Warnmeldung dazu und schaltete die Like- und Retweet-Funktion ab. Trump verlangte außerdem, Bürgermeister Frey müsse die »Stadt unter Kontrolle kriegen«.

Frey hatte bereits am Mittwoch die vier an der Festnahme von George Floyd beteiligten Polizisten entlassen und sich bei der schwarzen Community entschuldigt. Er schloss sich der Forderung der Familie des Verstorbenen und vieler Demonstranten nach Verhaftung der Polizisten und einer Mordanklage gegen sie an. Doch der zuständige Bezirksstaatsanwalt Michael Freeman erweckte den Eindruck, es gebe »entlastende Beweise«. Der Demokrat ist als Hardliner bei der Verfolgung von Marihuana-Verkäufen geringen Umfangs bekannt, sein Vorgehen dagegen betraf fast nur Schwarze. Er hatte es früher ebenfalls abgelehnt, in Fällen von Polizeigewalt gegen Beamte zu ermitteln.

Die Polizei in Minneapolis führt, wie in vielen anderen Städten in den USA, überproportional viele Kontrollen bei Afroamerikanern durch, mit teils tödlichen Folgen. George Floyd ist nur der jüngste Fall. Immer wieder kam es deshalb in den letzten Jahren zu Protesten. Am Freitag wurden in Minneapolis übrigens kurzzeitig auch ein schwarzer CNN-Fernsehreporter und sein Team festgenommen, ohne Erklärung. Und im Vorbeifahren sprühten Polizisten aus einem Auto Pfefferspray auf eine friedliche Demonstration, einfach so.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.