Wegen Armut im Gefängnis

Start einer Petition gegen Ersatzfreiheitsstrafen

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

»Amnestie für die von Ersatzfreiheitsstrafen Betroffenen jetzt«, lautet die zentrale Forderung einer Petition, die vom Transgenderratgeberkollektiv initiiert wurde. Es ist vor knapp fünf Jahren mit dem Ziel gegründet worden, um die Situation von Transpersonen im Gefängnis zu verbessern. »Trans* Personen werden oft gegen ihren Willen in den Frauen- oder Männerknast gesteckt. Uns wurde häufig von Diskriminierungen und Gewalterfahrungen berichtet. Sie haben wenig Zugang zu geschlechtsangleichenden Maßnahmen, Beratung und Vernetzung mit anderen Transpersonen. Psychologische Unterstützung gibt es im Gefängnis kaum«, umreißt Franca Hall vom Transgenderratgeberkollektiv die Probleme der Menschen, die nicht in die binäre Geschlechtsordnung passen.

Mit ihrer aktuellen Petition zur Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafen greifen die Aktivist*innen ein Problem auf, das viele Menschen mit geringen Einkommen betrifft. Sie können oft die Geldstrafen nicht bezahlen und müssen stattdessen ins Gefängnis. Daher bezeichnet Hall die Ersatzfreiheitsstrafen auch als Doppelbestrafung für Arme. Schließlich ist es für Menschen ohne Einkommensprobleme ein geringes Problem, Geldstrafen zu begleichen. Dass das Transgenderratgeberkollektiv ihre Petition in der Coronakrise lancierte, ist kein Zufall. »Es zeigt sich im Moment, dass die Gesellschaft nicht zusammenbricht, wenn die Ersatzfreiheitsstrafe wegen Corona ausgesetzt ist. Daher müssen wir jetzt handeln und sie gänzlich abschaffen«, meinte Hall. Alle Bundesländer haben die Ersatzfreiheitsstrafen vorübergehend ausgesetzt, um die Gefängnisse in der Coronakrise zu entlasten. Allerdings betonten sie Behörden betont, dass die Betroffenen ihre Strafe später absitzen müssen.

Für manche Betroffene ist die Wartezeit eine zusätzliche Belastung. »Ich wollte die vier Monate im Gefängnis schnell hinter mich bringen und dann im Herbst einen neuen Job anfangen«, beschreibt ein junger Mann, dessen Strafantritt verschoben wurde, die Unsicherheit in seiner Lebensplanung durch die Verschiebung des Strafantritts. Der Mann, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, wurde mehrmals beim Fahren ohne Ticket im Berliner Nahverkehr erwischt.

Damit ist er nicht allein. In Berlin sitzen etwa die Hälfte der Menschen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe bekommen haben, wegen »der Erschleichung von Leistungen« ein. Der ehemalige Gefängnisdirektor Thomas Galli ist der Überzeugung, dass Straffällige, die eine Geldstrafe nicht bezahlen können, nicht länger in Haft genommen werden dürfen. »Solche Ersatzfreiheitsstrafen, die geschätzt etwa 40 Prozent der jährlichen Neuinhaftierungen ausmachen, betreffen fast ausschließlich Menschen in sozial prekärer Lage« so Gallis Beobachtung aus seiner Zeit als Gefängnisdirektor.

Im Sommer 2018 hatte die Linksfraktion im Bundestag einen Antrag für die ersatzlose Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe eingebracht. Der Abgeordnete Niema Movassat wies darauf hin, dass diese Strafen in Italien für verfassungswidrig erklärt wurden. In Schweden wurden sie faktisch abgeschafft, in Dänemark dürfen sie bei zahlungsunfähigen Menschen nicht angewandt werden. Der Antrag fand aber keine Mehrheit.

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