Als würde seine Seele weinen
Peter Kemper hat eine Biografie über Eric Clapton geschrieben
Es war ein Ozeandampfer, der Eric Clapton den Blues brachte. Er war neun Jahre alt, als er im Hafen von Southampton zum ersten Mal einer Frau begegnete, die ihm als seine Schwester vorgestellt wurde. Doch Erics vermeintliche Eltern waren tatsächlich seine Großeltern, und die 25-jährige Patricia, die ihm auf der Gangway entgegenkam, seine Mutter, die ihn, den unehelichen Sohn, den »Bastard«, im Alter von zwei Jahren zurückgelassen hatte.
Patricia Clapton hatte als 15-Jährige eine Affäre mit einem neun Jahre älteren kanadischen Soldaten gehabt. Eric Patrick Clapton war das Resultat - er kam am 30. März 1945 im Dorf Ripley, 36 Kilometer südlich von London, zur Welt.
Seit den 60er Jahren steht sein Name für lupenreinen Blues; für Gitarrenklänge, die ähnlich wirkungsvoll und fiebrig zuvor nur afroamerikanische Musiker wie Robert Johnson oder Muddy Waters zu spielen wussten. Für Clapton war diese Musikform eine Art Selbsttherapie. So argumentiert der Musikjournalist Peter Kemper in einer neuen Biografie, die zum 75. Geburtstag des Musikers erschienen ist. Kemper zitiert Clapton: »Jetzt fühlte ich mich nicht mehr, als besäße ich keine Identität. Als ich das erste Mal Blues hörte, kam es mir so vor, als würde meine Seele weinen. Ich identifizierte mich unmittelbar damit.«
Für Clapton war es ein Schock, als er neunjährig von seiner wahren Mutter erfuhr. Aus dem aufgeweckten Jungen wurde über Nacht ein verbitterter Mensch. Kemper sieht hier eine frühe Verlassenheitsneurose walten, als Ursprung lebenslanger Probleme des Künstlers, darunter Drogensucht und toxische Beziehungen.
Der junge Clapton, der bei seinen fürsorglichen Großeltern aufwuchs, begeisterte sich für Buddy Holly und Elvis Presley. Doch bei niemandem fühlte er sich so aufgehoben wie bei Robert Johnson. Der früh verstorbene Südstaaten-Musiker gilt als Archetyp des unstet zwischen Alkoholexzessen und Frauengeschichten schwankenden Bluesmusikers. Später sollte Clapton Parallelen zu seinem eigenen Leben erkennen, doch als Teenager begeisterte er sich vor allem für den rauen Klang von Johnsons Musik, die ihn regelrecht schockierte: »Er verkörpert noch immer den kraftvollsten Schrei, zu dem die menschliche Stimme fähig ist«, meinte er später.
Clapton war ein talentierter Zeichner, der 1963 sein Kunststudium schmiss, um sich einer Rhythm ’n’ Blues-Band voller braver Jungs mit Krawatte anzuschließen: den Yardbirds. Kaum hatte die Band ihren kommerziellen Durchbruch erreicht, war Clapton schon wieder weg. Die intensivste Phase seiner Karriere hatte begonnen: Innerhalb von nicht einmal vier Jahren sollte der Gitarrist, der erst 1970 zu singen begann, drei brillante Bands gründen.
Die erste war das Trio Cream mit dem manischen Schlagzeugvirtuosen Ginger Baker, der sich in nicht nur verbalen Duellen mit dem Bassisten Jack Bruce aufrieb. Baker hielt ihre sanfte erste Single für das »entsetzlichste Stück Scheiße, was ich je gehört habe«, doch ihr rabiat aufgedrehter Bluesrock, der Elemente des Heavy Metal vorwegnahm, sollte bald die Massen auf beiden Seiten des Atlantiks begeistern. Nicht zuletzt dank »I Feel Free«, »Sunshine of Your Love« und natürlich »Crossroads«, dieser brutal herausgehämmerten Live-Bearbeitung von Robert Johnsons »Cross Road Blues«.
Aufgrund persönlicher Animositäten waren Cream zum Scheitern verurteilt. Es folgten zwei Bands, die jeweils nur für ein Album bestanden: Blind Faith und Derek and the Dominos. Die Kurzlebigkeit dieser musikalisch überzeugenden Gruppen hatte auch mit ihrem Gründer zu tun: Clapton, oft als »God« tituliert, kam mit seiner enormen Popularität nicht zurecht und fiel in ein tiefes Loch, nahm Kokain und Heroin. 1974 fand er für das höchst inspirierte Soloalbum »461 Ocean Boulevard« heraus - nur um die synthetischen Drogen gegen flüssige einzutauschen: »Ich kann mich daran erinnern, ein ganzes Konzert im Liegen mit einem Mikroständer neben mir gespielt zu haben.«
1982 ging er, von Zittern und Ausschlag geplagt, in eine Entzugsklinik, dauerhafte Nüchternheit erreichte er erst Jahre später. Es dauerte bis 1992, bis er auch solo an den Erfolg der frühen Bands anknüpfen konnte: »Unplugged« verkaufte sich 26 Millionen Mal und brachte Clapton seine Grammys Nummer drei bis acht ein. Ende der 90er eröffnete der frisch zum Ritter geschlagene Musiker ein Drogen-Rekonvaleszenz-Zentrum. Dessen Name lautet »Crossroads Centre«.
Peter Kemper erzählt all das kenntnisreich und nicht ohne Gespür für Humor, wovon die absurde Anekdote zeugt, wie Clapton einmal mit dem Privatzug von Joseph Goebbels auf Tour fuhr. Vielleicht war das aber auch gar nicht so absurd, denn Clapton sprach sich in den 70er Jahren für den rassistischen Ultrakonservativen Enoch Powell aus, wenngleich er dies später mit seinem Drogenkonsum entschuldigen wollte.
Unerwähnt bleibt bei Kemper, dass Eric Clapton das Riff seines vielleicht größten Songs »Layla« einst einem deutschen Automobilhersteller für Werbezwecke überließ.
Peter Kemper: Eric Clapton. Ein Leben für den Blues. Reclam, 272 S., geb., 24 €.
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