Kriegsspiele im Ostseeraum
Demnächst startet trotz der Coronakrise das Nato-Manöver »Baltic Operations«. Auch die Bundeswehr beteiligt sich daran
Im Juni findet eigentlich traditionell die »Kieler Woche« statt. Doch nun wurde das größte nordeuropäische Volksfest coronabedingt abgesagt und - auf die Segelwettbewerbe reduziert - zunächst auf den September verschoben. Dagegen wird das internationale Nato-Manöver »Baltic Operations« (Baltops) stattfinden. Es beginnt am Samstag.
Das Manöver ist eine Nummer kleiner als im vergangenen Jahr, als noch 8600 Soldaten zu Wasser, in der Luft und an Land involviert waren. 36 Militärflugzeuge wurden eingebunden. 55 Kriegsschiffe inklusive spanischem Flugzeugträger beteiligten sich an der Truppenschau mit Machtpotenzial. Dabei wurden auch andere Ostseehäfen außer Kiel einbezogen.
Nur einen Monat nach dem Minenabwehrmanöver »Open Spirit« vor der baltischen Küste wird die Ostsee nun also erneut Schauplatz eines größeren Nato-Manövers. Die jetzt nach Meinung der Friedensbewegung startenden 48. »Kriegsspiele«, aus Sicht des nordatlantischen Militärbündnisses hingegen als »Freundschaftsübung« tituliert, dauern bis zum 16. Juni. Beteiligt sind 17 Nato-Nationen, dazu die EU-Mitgliedsländer Schweden und Finnland mit zusammen rund 3000 Einsatzkräften, 29 Flugzeugen und 29 Marineschiffen. Diesmal konzentrieren sich alle anstehenden Aktivitäten unter der Prämisse einer Minimierung von Covid-19-Gefahren komplett auf dem Wasser. Dazu gehören dem Presse- und Informationszentrum der Marine zufolge Minenräum- und -abwehrszenarien, die Unterwasser-Kriegsführung sowie Luftverteidigung. Von der deutschen Marine sind neben der Fregatte »Lübeck« mitsamt ihrer zwei an Bord befindlichen Hubschrauber auch die beiden Tender »Werra« und »Donau«, die Minenjagdboote »Weilheim« und »Grömitz« sowie ein Seefernaufklärer vom Typ »Orion« beteiligt.
Die gesamte Koordination soll erstmals aus Lissabon erfolgen. Die Truppenverbände werden unter die Kommandantur der 6. US-Flotte gestellt. Noch im April sagte US-General Tod D. Wolters, eine verkleinerte Form von »Baltops« werte er als Rückschlag für die Nato und die US-Streitkräfte. Noch vor der Pandemie-Ausbreitung hierzulande hatte besonders der Jugendverband der Grünen in Kiel deutlich Anstoß an der alljährlichen Militarisierungsoffensive im Schlepptau von »Baltops« genommen. Ein Grund hierfür war, dass es bei »Open Ship«-Terminen, gekoppelt mit der »Kieler Woche«, stets üppige Besichtigungstermine für Besucher gab. Der in Schleswig-Holstein in einer Koalition mit CDU und FDP mitregierende Grünen-Landesverband kassierte diese Kritik jedoch ein und unterstrich hingegen den »Friedenscharakter« der Marineverbände.
Besuchsprogramme sind für dieses Jahr wegen der Corona-Pandemie nicht vorgesehen. Und Landgang in Marinehäfen nach Manöverende für die Marinesoldaten ist ebenfalls nur schwer vorstellbar. Dem Bündnis des Kieler Friedensforums war der Laufsteg für moderne Militärtechnologie in der Kieler Förde schon in der Vergangenheit ein Dorn im Auge. Und auch zum diesjährigen »Baltops«-Start wollen die Aktivisten in Form einer Protest-Mahnwache ihre antimilitaristische Haltung zum Ausdruck bringen. Symbolisch möchten sie sich mit Mund-Nasen-Bedeckung und unter Einhaltung der derzeitigen Hygieneschutz-Abstandsregel am Samstag um »Fünf vor Zwölf«, also 11.55 Uhr, an der Kiellinie (Höhe Tirpitzmole) versammeln.
»Wir wollen, dass von Kiel wieder Friedenssignale ausgehen und keinerlei Säbelrasseln«, betonte Benno Stahn aus dem Friedensbündnis. Er wies auch auf die mit jedem großen Seemanöver automatisch verbundenen Umweltbelastungen hin. Statt einer neuerlichen Provokation gegenüber Russland plädierte er dafür, die »Baltops«-Gelder vernünftigerweise lieber ins Bildungs- oder Gesundheitswesen zu stecken.
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