Die zweite Reihe

Schufa der LIebe

  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist nicht leicht. Da wurde man als weißer Mensch stets gefragt, wie man was findet, was man so weiß, wo man sich in zehn Jahren sieht, welche zehn Alben man am besten fand im vergangenen Jahr, welche Tipps man so hat fürs Geldsparen und fürs Sichfinden, und hatte stets auch ungefragt viel zu erzählen über geile Dates, den coolen Saufabend gestern, Zukunftspläne, Urlaubswünsche, Fußball- und Videospiele, darüber, wo es die beste Pizza der Stadt gibt, und so weiter und so weiter. Doch da gibt es Themen, bei denen man spürt (und falls man es nicht spürt, dann wird es einem irgendwann hoffentlich mal gesagt), dass man zu denen nichts so richtig beitragen kann, selbst wenn es einen in den Fingern juckt. Themen, für die andere zuständig sind oder mit denen sich andere besser auskennen. Menschen, die weiße Menschen erst zu »anderen« gemacht haben: Schwarze Menschen, People of Color. Rassismus ist so ein Thema. Ob es Rassismus gibt und wie schlimm er wohl ist, überlegen Weiße hin und her. »Es gibt Rassismus und er ist schlimm«, sagen BIPoC. Sie erzählen in Songs, Büchern oder via Hashtags davon, immer wieder und wieder. Während weiße Menschen sich fragen, wie es um Rassismus steht.

Um das Problem anzugehen - also falls einem daran liegt, etwas gegen den eventuell ja vorhandenen Rassismus zu tun -, müssen wir weißen Menschen mal etwas machen, was sonst nicht so unser Job ist: zuhören. Es gibt nichtweiße Politikerinnen, Aktivistinnen, Journalistinnen, Wissenschaftlerinnen, Künstlerinnen, natürlich gibt es sie. »Wir haben keine gefunden« zu sagen, wenn es um die Besetzung von Panels, Talkshows, Bühnen oder Berufspositionen geht, heißt einfach nur: Wir haben noch nie zugehört.

Aber es geht weiter: Wir müssen noch mehr machen als zuhören. Wir müssen denen, denen wir nie zugehört haben, Gehör verschaffen, wir müssen unsere Bühnen endlich teilen, und wir müssen uns zurücknehmen können, wenn BIPoC sprechen. Medienrepräsentantinnen müssen das lernen. Der Antifa-Macker, der auf der Black-Lives-Matter-Demo mit einem Bier in der Hand rumgrölt, während eine Schwarze Frau redet, muss das lernen. Ich, der es manchmal in den Fingern juckt, mich in Diskussionen einzumischen, obwohl meine Meinung nix mehr hinzufügt, muss das lernen. Der Polizist, der sich auf der bereits erwähnten Demo über die Ansage der Organisatorinnen - »BIPoC nach vorn, wir wollen da keine Weißen sehen« - mit den Worten »Das ist ja auch Rassismus« echauffierte, muss das lernen. Der muss auch noch ganz andere Sachen lernen, aber weiter im Text: Wir müssen uns mit der zweiten Reihe vertraut machen, wenn wir Gleichheit wollen. Und wir müssen den Unterschied zwischen Maul aufmachen und Fresse halten lernen. Wir dürfen natürlich nicht schweigen, wenn Menschen angegriffen werden; wir müssen mit ihnen laut sein, wenn es nötig ist, aber niemals mehr sollten wir sie überschreien.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -