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Die Großmächte bitten zu Tisch
Wahl des UN-Sicherheitsrates: Irland möchte rein
An diesem Mittwoch wird in New York über die Zusammensetzung des UN-Sicherheitsrates in der Periode 2021-2022 abgestimmt. Das Organ der Vereinten Nationen sieht seine Hauptaufgabe in der »Aufrechterhaltung von internationalem Frieden und Sicherheit«. Neben den fünf ständigen Mitgliedern, China, Frankreich, Russland, Großbritannien und den USA werden jährlich fünf von zehn weiteren darin vertretenen Staaten für jeweils zwei Jahre von allen 193 UN-Mitgliedern gewählt. Deutschland ist seit dem 1. Januar 2019 Mitglied des UN-Sicherheitsrates. Für die Wahl bedarf es einer Zweit-Drittel-Mehrheit aller UN-Mitglieder. Fällt im ersten Wahlgang keine Entscheidung, folgt am Donnerstag ein zweiter Durchgang.
Die fünf ständigen Mitglieder sind zugleich die UNO-Vetomächte, gegen deren Stimme Beschlüsse des Rates nicht zustande kommen können. So scheitert eine Verurteilung der israelischen Isolationspolitik gegenüber dem palästinensischen Gazastreifen seit Jahren an den USA. Umgekehrt verhindert Russland im Nahostkonflikt die Verabschiedung von Resolutionen zur Verurteilung Syriens. Die Hauptmächte ziehen Strippen bei der Auswahl der Kandidaten aus den verschiedenen regionalen Gruppen. Protegés des Westens stehen von China und Russland geförderte Kandidaten gegenüber.
Eine Reform des Rates welche die Möglichkeiten zu seiner Blockade begrenzt, wird seit Jahrzehnten diskutiert. Dominic MacSorley von der irischen Hilfsorganisation Concern Worldwide nennt den Einfluss des Sicherheitsrats beschränkt, macht dort eine »mangelnde Einheit in moralischen Fragen« aus. Die Republik Irland, die bereits 1962, 1981 und 2001 als nicht-ständiges Mitglied gewählt wurde, konkurriert nun mit Kanada und Norwegen um einen Sitz.
Verkündet hatte das EU-Land Irland die Kandidatur 2018 mitten in den Brexit-Verhandlungen zwischen der Staatenunion und Großbritannien. Der konservative Regierungschef Leo Varadkar wollte sich damit aus innenpolitischem Kalkül international in Szene setzen. Lange hielt der Effekt nicht vor. Bei den Wahlen im vergangenen Februar spielte der Brexit kaum keine Rolle, dafür umso mehr die soziale Lage. Varadkars Partei Fine Gael fuhr herbe Verluste ein.
Bei der Präsentation der Kandidatur für den Sicherheitsrat Anfang Juli 2018 in New York hatte Varadkar kaum eine politische Vision für den irischen Sitz erkennen lassen. Sein Programm beschränkte sich auf Phrasen zur Erhaltung des Weltfriedens und des Multilateralismus. Neben der früheren irischen Präsidentin und UN-Hauptkommissarin für Menschenrechte Mary Robinson war auch U2-Sänger Bono als Sympathieträger zu der Werbeveranstaltung eingeladen.
Bonos Botschaft ist, dass Irland durch seine Geschichte mit Kolonialismus, Hungersnöten und Massenmigration eine besondere Erfahrung im Lösen von Problemen besitzt, vor denen die Menschheit heute steht. Nachgelegt wurde Anfang dieses Jahres mit einer Riverdance-Stepptanzaufführung für 100 UN-Botschafter in Irland. Die der Anrainerstaaten des Pazifiks lud Außenminister Simon Coveney außerdem zu einem Meeresfestival mit viel gemeinsamen Gesang in der südirischen Grafschaft Cork ein. Auch auf die Stimme von Vanuatu kommt es schließlich an.
Irland und seine Mitbewerber Norwegen und Kanada gehören bei der Wahl zum Topf »Westeuropa und Andere«. Irland rechnet mit den Stimmen der EU-Mitglieder. Ein Platz für Irland im Rat käme auch dem internationalen Gewicht der EU zugute. Die Absurdität des Wahlkampfs für eines der wichtigsten Gremien internationaler Politik wurde auch im Fall Kanada deutlich. Hier war das Hauptevent ein Celine-Dion-Konzert. Kanadas Chancen sind zuletzt gesunken. Premier Justin Trudeau ist in einem politischen Tief.
In einem von der NGO Canadian Foreign Policy Institute veröffentlichten Offenen Brief sprachen sich kurz vor der Wahl mehr als 100 Wissenschaftler, Künstler und Aktivisten aus aller Welt gegen eine Wahl Kanadas in den Weltsicherheitsrat aus. Kanadas friedfertiger Ruf, heißt es, sei eine Lüge, das Nato-Land in der Realität Erfüllungsgehilfe des US-Militarismus. Zu den Unterzeichnern gehören Prominente wie Harsha Walia, Noam Chomsky, Rogers Waters, Bianca Mugyenyi, Kanahus Manuel und Richard Falk.
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