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Schwarze sterben, sobald die Polizei eintrifft

Subalterne Solidarität: Der dystopisch-fantastische Erzählband »Friday Black« von Nana Kwame Adjei-Brenyah

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 4 Min.

Rassismus ist das durchgängige Motiv im Erzählband »Friday Black« von Nana Kwame Adjei-Brenyahs. Darin entwirft er ein alptraumhaftes dystopisches Amerika, das der Realität aber sehr nahe kommt. Das im April in deutscher Übersetzung erschienene Buch wurde vom hiesigen Literaturbetrieb bisher kaum wahrgenommen. Nach dem Tod von George Floyd und der weltweiten Debatte über Rassismus hat es plötzlich einen enorm hohen Aktualitätsbezug. Der US-amerikanische Literaturmarkt wartet ja mit einer scheinbar unendlichen Menge schriftstellerischer Nachwuchstalente darauf, dass deren dort bereits erfolgreiche Bücher auch hierzulande verlegt werden. Die Halbwertszeit dieser gehypten Autoren und ihrer zeitgeistigen Bücher ist aber oft nur sehr gering.

Definitiv anders wird das bei dem aus der sozial randständigen Kleinstadt Spring Valley (nördlich von New York) stammenden Nana Kwame Adjei-Brenyah sein, dessen Erzählband im Original 2018 erschien. Das liegt nicht nur an den aktuellen Debatten um Rassismus und Polizeigewalt. Die zwölf längeren Erzählungen dürften zum Besten und gleichzeitig Verstörendsten gehören, das diesen Frühling veröffentlicht wurde. Denn dem Autor gelingt es in seinem von der US-amerikanischen Kritik gefeierten Debüt, Sozialrealismus mit dystopischer Phantastik auf eine ganz eigenwillige Art miteinander zu kombinieren.

In der ersten Erzählung geht es um einen weißen Vater, der fünf Schwarzen Kindern und Jugendlichen mit einer Motorsäge den Kopf abtrennt und vor Gericht freigesprochen wird, weil er angeblich aus Notwehr handelte. Um die »Finkelstein-Five«, wie die ermordeten Kinder und Jugendlichen von den Medien genannt werden, zu rächen, kommt es zu einer Welle von Übergriffen gegen Weiße, wobei auch hier am Ende wieder Schwarze sterben, sobald die Polizei eintrifft. Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht eines Mannes, der seine »blackness« und damit das Ausgeschlossen- und Diffamiertwerden in einer Skala von 1 bis 10 misst. Auf 1,5 drückt er selbst seine »blackness«, wenn er sich am Telefon um einen Job bewirbt, im Einkaufszentrum steigt sie generell auf 5 und wenn ihn jemand vom Sicherheitsdienst nach dem Einkauf auffordert, eine Quittung zu zeigen, geht sie auf 8,5 hoch. Auf ganze 10 schnellt sie dann am Ende der Geschichte hinauf, als ein Polizist die Schusswaffe auf seinen Kopf richtet. Adjei-Brenyas USA sind ein alptraumhaftes Land voll absurder Gewalt, in dem Schwarze Menschen versuchen, mit Würde zu überleben, was aber einfach nicht funktioniert.

Der 29-jährige Nana Kwame Adjei-Brenya, der heute Creative Writing an der Universität von Syracuse lehrt, schreibt nicht nur über rassistische Diskriminierung und Gewalt, sondern auch über Konsum, prekäre Lebensverhältnisse, familiäre Bindungen und subalterne Solidarität. In einer Erzählung geht es um einen Angestellten, der im Wettstreit mit seinen Kollegen am Titel gebenden »Black Friday«, dem umsatzstärksten Tag im US-amerikanischen Einzelhandel, versucht, möglichst viele Winterjacken zu verkaufen. Kaufgierige Konsumenten stürmen den Megashop, reißen sich gegenseitig die hippen Jacken aus den Händen, schlagen und treten aufeinander ein, klettern auf Regale, stürzen zu Boden und am Ende gibt es zahlreiche Tote.

Adjei-Brenya, der selbst jahrelang als Verkäufer unter anderem in einem Bekleidungsdiscounter gearbeitet hat, fiktionalisiert und verfremdet unsere Gegenwart auf verstörende Art und Weise, nicht selten geht es in den Geschichten reichlich blutig zu. In »Zimmer-Land« arbeitet ein junger Mann in einem Erlebnispark, in dem alles so inszeniert wird, dass Kunden ihren Rassismus ausleben können, indem sie einen jungen unbekannten Schwarzen Mann auf der Straße vor ihrem Wohnhaus angreifen und erschießen können. Gleichzeitig schreibt Adjei-Brenya auch über den autoritären und sich dabei so jovial gebenden Chef des Parks, den der junge Schwarze Angestellte erdulden muss, wenn er sich jeden Tag mehrmals von weißen Vätern abknallen lässt, die ihre rassistischen Gewaltfantasien ausleben.

Adjei-Brenya hat die Geschichten nach eigenen Angaben im Lauf von knapp zehn Jahren verfasst und die zwölf in dem Band enthaltenen Erzählungen aus einem Korpus von ungefähr 80 Texten ausgewählt. Dass die anderen wirklich »trash« sind, wie er selbst behauptet, ist nur schwer vorstellbar. Dazu verfügt er über ein zu gutes Gespür für seine Figuren, die er mit wenigen Sätzen entwickelt und die dabei dennoch substanziell sind.

Stilistisch und sprachlich bewegt sich seine pointierte Prosa auf hohem Niveau. Es ist aber vor allem seine Fähigkeit, fantastische und alptraumhafte Szenarien zu entwerfen, die beeindruckend ist. In der letzten und längsten Erzählung geht es um eine Gruppe Menschen, die in einer Endlosschleife gefangen sind und die die letzten Stunden vor dem apokalyptischen Atomschlag immer wieder aufs Neue erleben müssen. Obwohl sie sich dabei in einem fort foltern und ermorden, kommen sie irgendwann an einen Punkt, an dem sie beschließen, für etwas anderes zu kämpfen. Denn trotz all der Erniedrigung und Gewalt in diesen Geschichten, sind Nana Kwame Adjei-Brenyas Figuren immer auf der Suche nach einer besseren Welt.

Nana Kwame Adjei-Brenyah: Friday Black, A.d. amerik. Engl. v. Thomas Gunkel. Penguin, 240 S., geb., 20 €.

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