Samstags die Schulbank drücken

Brandenburg entscheidet nach den Sommerferien über Unterricht am Wochenende

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach den Brandenburger Sommerferien, die in der nächsten Woche beginnen, soll entschieden werden, ob Unterricht auch am Sonnabend stattfindet. Darüber informierte Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) am Mittwoch in der Aktuellen Stunde des Landtags. Sie selbst sei keine Freundin von Schulunterricht am Sonnabend, bekannte sie. Als »westdeutsches Arbeiterkind« sei sie vom Motto geprägt gewesen: »Am Samstag gehört Vati mir.« Doch angesichts der enormen Unterrichtsausfälle durch den Corona-Lockdown stehe im Vordergrund, »dass die Schüler unbeschadet durch die Schulzeit kommen«. Vor diesem Hintergrund könne es sein, dass »wir zusätzliche Lernzeit benötigen«.

Scharf kritisierte diesen Vorstoß Linksfraktionschefin Kathrin Dannenberg. Sollte es Unterricht am Sonnabend geben, hätten die Schulkinder eine 40-Stunden-Woche - zuzüglich der Hausaufgaben. Das wäre eine »viel zu große Belastung«, meinte Dannenberg, die selbst von Beruf Lehrerin ist. Was die Schulen jetzt benötigten, sei »Zeit, Zeit, Zeit«. Diese Zeit werde beispielsweise gebraucht, um den Lernstand jedes einzelnen Schülers festzustellen. Nicht der Leistungsdruck sollte die Hauptrolle spielen, sondern der Spaß am Lernen.

Ministerin Ernst bekannte sich zu der Entscheidung, Abiturprüfungen sowie die Abschlüsse nach der 10. Klasse regulär ermöglicht zu haben. Sie sei »zusammengezuckt«, als sie gehört habe, dass in Frankreich im laufenden Jahr kein Abitur vergeben werde, sagte Ernst. In Brandenburg dagegen haben rund 10 000 Schulabgänger ein vollwertiges Abitur in der Tasche und circa 20 000 einen Abschluss der 10. Klasse. Ernst merkte an, dass sich auch der Landesschülerrat für die Durchführung des mittleren Abschlusses ausgesprochen habe. Ihr Ziel bleibe es, die Schule für den Regelbetrieb zu öffnen. Eine Ansteckungsgefahr für Schüler bis zur zehnten Klasse werde von Virologen eher verneint, nicht völlig eindeutig sei die Situation in höheren Klassen. Auf jeden Fall müssten alle Bildungsstätten Notfallpläne erarbeiten und sich bis auf weiteres an Abstandsregeln halten. Eine eventuelle zweite Infektionswelle dürfe Schulen und Kitas nicht unvorbereitet treffen. Zu einem Einbruch der Bildung dürfe eine solche Lage nicht mehr führen.

Linksfraktionschefin Dannenberg sprach rückblickend von einem »Wirrwarr an Entscheidungen«, welches Lehrer, Eltern und Kinder ratlos zurückgelassen habe. Brandenburg habe sich von den Entscheidungen anderer Länder treiben lassen. »Für die Kinder in den Plattenbauten haben sie sich sehr wenig interessiert«, warf Dannenberg der Bildungsministerin vor. Als »Ohrfeige« bezeichnete sie die Entscheidung, jenen Menschen Kitagebühren für die Notbetreuung ihrer Kinder »aufzudrücken«, die mit ihrer Tätigkeit in systemrelevanten Berufen das gesellschaftliche Leben unter schwierigen Bedingungen aufrechterhalten hätten.

Der CDU-Abgeordnete Gordon Hoffmann forderte, nicht jenen Lehrern Bußgelder abzuverlangen, die gegen Corona-Auflagen verstießen. Eigeninitiative dürfe nicht auch noch bestraft werden. Immerhin sei die »große Mehrheit der Lehrer« auch unter den schwierigen Corona-Bedingungen bemüht gewesen, »das Beste für ihre Schüler herauszuholen«, zeigte sich Hoffmann überzeugt. Die diesjährigen Schulabschlüsse sah er als vollwertig an. Es sei verhindert worden, dass Tausende junge Menschen Zeit ihres Lebens mit einem Makel herumlaufen müssten.

Grünen-Fraktionschefin Petra Budke wies darauf hin, dass die soziale Isolation im Zuge der Pandemie-Einschränkungen die soziale Chancenungerechtigkeit weiter verstärkt habe.

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