Soros kehrt nicht so schnell zurück

Trotz eines EuGH-Urteils dürften es Nichtregierungsorganisationen in Ungarn weiter schwer haben.

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

Gerichtsurteile auf europäischer Ebene können der Macht von Viktor Orbán wenig anhaben. Obwohl der ungarische Ministerpräsident und seine Regierung nun vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) auch den Rechtsstreit um die Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) verloren haben, dürfte die Situation von Regierungskritikern in dem Land prekär bleiben. Das liegt auch daran, dass Orbáns Regierung das entsprechende NGO-Gesetz lediglich modifizieren will.

Hinzu kommt, dass das Urteil reichlich spät fällt und Orbán schon entscheidende Schläge ausführen konnte. Seinen prominentesten Gegenspieler, den US-Milliardär und Mäzen George Soros, hat er bereits aus Ungarn vertrieben. Vor ungefähr zwei Jahren räumte Soros’ Open Society Stiftung ihr Büro in Budapest. Die ebenfalls in der Stadt ansässige und von Soros gegründete Central European University will bis 2025 nach Wien umziehen.

Ungarns Regierung ist nun vom EuGH aufgefordert worden, Schikanen rückgängig zu machen. Es geht um ein Gesetz von 2017, das NGOs verpflichtet, sich zu registrieren, wenn sie Spenden aus dem Ausland erhalten und dabei einen bestimmten Schwellenwert überschreiten. Organisationen müssen dann ihre Zuwendungen öffentlich machen und sich als »aus dem Ausland unterstützte Organisation« bezeichnen. Für Orbán und die seiner Regierung nahestehenden Medien ist es dann leicht zu behaupten, dass die NGOs aus dem Ausland gesteuert werden und Ungarn unterwandern wollen.

Deutsches Kapital profitiert

Zwar ist es nicht von der Hand zu weisen, dass Soros in Nachfolgestaaten Jugoslawiens, der Sowjetunion und anderswo in Osteuropa Oppositionsgruppen unterstützt und sein Ziel, in diesen Ländern »offene Gesellschaften« zu errichten, letztlich zu Umstürzen beigetragen hat. Allerdings sind solche Entwicklungen nur möglich, wenn in den Ländern auch viel Unzufriedenheit herrscht.

In Ungarn soll es gar nicht so weit kommen. Orbán versucht deswegen schon seit Jahren, Soros zu dämonisieren. Angeblich sollen die »von Soros gelenkten Brüsseler Bürokraten« auch hinter einem anderen Urteil des EuGH stecken, das einen fairen Zugang zu Asylverfahren in Ungarn verlangte. Soros und Brüssel hätten ein gemeinsames Interesse an Migrationskrisen, behauptete Orbán kürzlich im staatlichen Rundfunk. Regierungen, die wegen der »Migrationskrise« in Probleme gerieten, würden Kredite gewährt und die Geldgeber von den Zinsen profitieren. Mit seiner Behauptung, Geflüchtete seien grundsätzlich ein Problem, schürt Orbán Rassismus. Außerdem bedient er antisemitische Klischees, wenn er Soros, der jüdischer Herkunft ist, als einen Mann darstellt, der mit enormen finanziellen Möglichkeiten die EU-Politik kontrolliert, Migration fördert und Staaten in die Zinsknechtschaft treiben will.

Den Führungsmächten der EU kommen Gerichtsniederlagen der Ungarn entgegen, weil sie Orbán disziplinieren wollen. Doch harte Maßnahmen sind bislang ausgeblieben. In der Europäischen Volkspartei, der auch CDU und CSU angehören, ist die ungarische Regierungspartei Fidesz suspendiert. Die konservative Parteienfamilie ist sich uneins, ob man die Ungarn ausschließen sollte. Den Unterstützern von Fidesz liegt viel daran, die Partei als Mehrheitsbeschafferin auf EU-Ebene zu behalten. Wichtig waren ihre Stimmen etwa bei der Wahl der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Insbesondere Deutschland ist zudem an guten Beziehungen zu Ungarn interessiert. Das deutsche Kapital profitiert nämlich von dem ungarischen Standort. Eigentlich wollte der Automobil- und Motorradhersteller BMW kürzlich ein neues Werk in Ungarn eröffnen. Doch wegen der Coronakrise wird die Inbetriebnahme um etwa ein Jahr verschoben. Auch die deutsche Rüstungsindustrie ist Orbán freundlich gesonnen. Vergangenes Jahr stand Ungarn auf Platz eins der Abnehmer deutscher Rüstungsexporte. Die Genehmigungen hatten einen Gesamtwert von etwa 1,77 Milliarden Euro.

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