Lichtblick für die K 29

Eigentümer verhandelt nun doch mit Cottbuser Wohnprojekt

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.

Die Fronten waren verhärtet. Der neue Eigentümer der Karlstraße 29 in Cottbus nahm am Freitag den Seiteneingang zum hiesigen Landgericht. In seinem Büro soll vor Monaten ein Drohanruf eingegangen sein. Die knapp 70 Menschen vor dem Haupttor des Gerichtsgeländes verunsicherten ihn daher. Es waren Bewohner des alternativen Wohnprojekts Karlstraße 29, ihre Nachbarn und Freunde, die - das gilt es hervorzuheben - friedlich demonstrierten.

Noch der alte Eigentümer hatte dem K 29-Verein das Mietverhältnis gekündigt. Dagegen klagte der Verein. Nun war vom Gericht ein Gütetermin angesetzt. Dabei versuchte der Richter auszuloten, ob noch eine einvernehmliche Einigung möglich ist und kein Urteil gesprochen werden muss. Überraschend einigten sich die Rechtsanwälte nach Beratung mit ihren Mandanten tatsächlich, miteinander eine Übereinkunft auszuhandeln. Vorsorglich wurde mit dem Richter ein Fortsetzungstermin am 31. Juli vereinbart, falls sie bis dahin zu keiner Einigung gelangen sollten. Sie wollen sich nun alsbald in Berlin zusammensetzen und über einen neuen Mietvertrag sprechen.

Zunächst hatte es ganz und gar nicht danach ausgesehen. Dass man aufeinander sauer ist, war beiden Seiten deutlich anzumerken. Der neue Eigentümer sprach von »Rufmord« und einer »vergifteten Atmosphäre« und beschwerte sich, der Verein habe die Presse eingeschaltet, anstatt mit ihm zu reden. Doch der Berliner beruhigte sich und ging nach ermunternden Worten der Rechtsanwälte der Gegenseite auf den Verein zu.

Der Geschäftsführer der Immobilienfirma, der das Haus bis Ende 2019 gehörte, saß zwar im Saal 116 noch dabei, äußerte sich aber kaum. Die Angelegenheit geht ihn nun fast nichts mehr an. Stattdessen führte der neue Eigentümer das Wort. Schließlich kann nur mit ihm noch eine einvernehmliche Lösung gefunden werden.

Er habe keineswegs eine Luxussanierung im Sinn, versicherte der Berliner. Allerdings müsse unbedingt die Heizung, die Warmwasserversorgung und die Elektrik modernisiert werden, »das Notwendigste«, wie er sagte. Das geben die Bewohner auch zu. Dies koste 200 000 Euro und erforderte eine Erhöhung der Kaltmiete um zwei Euro pro Quadratmeter, rechnete der Eigentümer vor. Das würde eine monatliche Miete von 2400 Euro für das Haus mit Garten ergeben, in dem 13 junge Männer und Frauen leben, die studieren oder eine Ausbildung machen. Momentan zahlen sie rund 1400 Euro Miete.

Die 2400 Euro sind einer der Eckwerte, auf deren Grundlage nun verhandelt werden soll. Der Eigentümer bietet einen Mietvertrag über fünf Jahre an, damit die jungen Leute ihr Studium noch abschließen können, wie er betont. In diesem Zeitraum solle die Kostenbelastung für den Verein planbar sein. Danach könne sich der Mietvertrag um jeweils ein Jahr verlängern, wenn nicht eine der beiden Seiten ihn kündigt. Als man nach anderthalb Stunden mit diesem Stand der Dinge auseinander geht, äußert der Eigentümer die Hoffnung, dass die Bewohner sein Angebot annehmen. Darüber hinausgehend will er sich nicht äußern und auch nicht namentlich genannt werden. Das Recht auf Anonymität hat er, da er keine Person des öffentlichen Lebens ist.

Für die Bewohner ist der Vorschlag nicht das, was sie sich gewünscht haben. Ihr Verein hätten das Haus lieber selbst gekauft - mit Hilfe des Mietshäusersyndikats. So sollte das Objekt langfristig gesichert werden, damit auch künftige Studentengenerationen hier gemeinschaftlich leben können. Trotzdem begrüßten die draußen Wartenden die Nachricht jubelnd. Bewohner Samuel Paripovic fiel »ein Stein vom Herzen«, wie er sagte. »Wir sind sehr erleichtert, dass heute kein Urteil gegen uns gesprochen wurde.« Alles Weitere müsse man sehen.

Verkaufen möchte der neue Eigentümer das Haus im Prinzip nicht. Aber ein Angebot wollte er trotzdem mal hören. »Es könnte ja sein, Sie hätten mir eine Million geboten - und dann werde ich schwach«, sagte er beim Gütetermin. Er selbst habe für den Erwerb eine Finanzierung über zehn Jahre und außerdem einen »kleinen Kredit« für die Modernisierung aufgenommen. Durch die von den Bewohnern organisierten Presseberichte habe er wirtschaftlichen Schaden erlitten, erklärte er. Die so auf die Querelen aufmerksam gewordene Versicherung habe ihn zu einem Termin gebeten. Es laufe wohl auf einen Risikozuschlag hinaus. Die Mehrkosten will er selbstverständlich auf die Miete umlegen.

Die Bewohner sind sich keiner Schuld bewusst. Wenn ihnen gekündigt werde, sei es da nicht natürlich, dass sie sich Hilfe suchen, fragen sie. Moralische Unterstützung erhalten sie von der Kommunalpolitik. Als sie am Freitagmorgen vor der Verhandlung ein Protestfrühstück auf dem Cottbuser Altmarkt abhielten, schauten gleich mehrere Parteivertreter vorbei. Dass die junge Landtagsabgeordnete Ricarda Budke (Grüne) kam, war kein Zufall. Sie studiert an der Technischen Universität Cottbus und wohnt selbst in der Karlstraße 29.

Die stellvertretende Linke-Ortsvorsitzende Cornelia Meißner ließ sich ebenfalls blicken und brachte einen Korb Erdbeeren mit. »Ich begrüße, dass man im Gespräch bleibt«, sagte Meißner am Nachmittag. »Für uns Linke steht im Vordergrund, alternative Wohn- und Lebensformen zu haben in unserer Stadt, die den Ausstieg aus der Braunkohle verkraften und neue Ideen für die Zukunft entwickeln muss.« Das Kulturangebot der K 29 - der Verein organisiert maßgeblich das jährliche Karlstraßenfest mit - mache Cottbus attraktiv.

Sofas aus der Karlstraße 29 und aus dem mit einem ähnlichen Problem konfrontierten Nachbarhaus waren zum Altmarkt gekarrt und dort aufgestellt worden. Eine Musikanlage spielte den Rauchhaussong von Rio Reiser mit den Liedzeilen »Das ist unser Haus« und »Ihr kriegt uns hier nicht raus«. Die K 29 und ihre Freunde bewiesen wieder einmal Kreativität. Aus Pappkartons wurden Häuser gebastelt und mit Sprühdosen bunt verziert. Diese Häuser aus Pappe stellten sie dann vor dem Gericht auf. Zum Wohnen eignen sie sich hingegen nicht, aber darauf sind die K 29-Bewohner erst einmal auch nicht angewiesen.

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