»Duque handelt gleich doppelt niederträchtig«

ELN-Führungsmitglied Pablo Beltrán über die stockenden Friedensverhandlungen mit der Regierung in Bogotá

  • David Graaff
  • Lesedauer: 3 Min.

Operiert die ELN-Guerilla in Venezuela, wie die kolumbianische Regierung behauptet?

Wir sind nur an der 2200 Kilometer langen Grenzlinie präsent, wo indigene und bäuerliche Gemeinschaften auf beiden Seiten der Grenze leben, aber unsere Guerilla ist nicht binational.

Wie beurteilen Sie die Ankunft der 50 US-Soldaten, die die kolumbianische Regierung bei der Bekämpfung des Drogenhandels unterstützen und beraten sollen?

Es ist ein weiteres Kapitel des Krieges, den die USA in Kolumbien seit den 1950er Jahren führen. Damals schon unterstützten sie die Regierung im Kampf gegen die ersten Guerillas, später unterrichteten sie das Militär in paramilitärischer Aufstandsbekämpfung, beteiligten sich an der Jagd auf den Chef des Medellín-Kartells Pablo Escobar, berieten zwanzig Jahre lang ebenso wie Israel die Vereinigten Bürgerwehren Kolumbiens (AUC), setzten ab 1998 den zivil-militärischen Plan Colombia durch und verlegten 2009 sieben Militärbasen nach Kolumbien. Unser Land wurde dadurch zu einem Vorposten für Operationen in ganz Südamerika. Die USA sabotieren die Bemühungen um eine politische Lösung des Konflikts in meinem Land.

Im Mai setzte das US-Außenministerium Kuba auf eine Liste der Länder, die den internationalen Terrorismus unterstützen. Als Grund wurde die Anwesenheit des ELN-Verhandlungsteams genannt. Inwiefern beeinträchtigt dies die Wiederaufnahme der Friedensgespräche?

In den 2016 mit der Regierung Santos geschlossenen Vereinbarungen zu Friedensgesprächen, das auch sechs Garantiestaaten mit unterzeichneten, ist unter anderem ein Protokoll für unsere Rückkehr festgelegt, falls die Gespräche scheitern. Als die nachfolgende Regierung Duque beschloss, die Friedensgespräche nicht wieder aufzunehmen, forderten wir sie auf, dieses Rückkehrprotokoll anzuwenden. Die Duque-Regierung aber weigerte sich mit dem Argument, sie habe es nicht unterzeichnet.

Wie bewerten Sie Duques Vorgehen?

Duque handelt gleich doppelt niederträchtig. Er leugnet ein staatliches Abkommen und fordert Kuba zugleich auf, seine Verpflichtungen als Garantiestaat zu brechen, indem er unsere Gefangennahme und Auslieferung verlangt. Als Kuba sich weigerte, internationales Recht zu verletzen, beschuldigte Duque Kuba gegenüber US-Präsident Trump, woraufhin dieser es auf besagte Liste setzte. Der Vorwurf lautet, dass Kuba unsere Verhandlungsdelegation schützt und dass die ELN auf einer Liste terroristischer Organisationen steht, die von den USA 2001 erstellt wurde.

Werden Sie und die Verhandlungsdelegation notfalls Asyl in Kuba beantragen?

Das schließen wir aus. Wir sind weiterhin zur Wiederaufnahme der Gespräche bereit, bestehen aber auf Konsultationen in Kolumbien, für die das Rückkehrprotokoll aktiviert werden muss.

Damit die Gespräche fortgesetzt werden können, fordert die Regierung unter anderem, die ELN müsse die Entführungen einstellen. Warum fällt der ELN dieser Schritt so schwer?

Wir haben immer gesagt, dass wir sofort bereit sind, Gespräche wieder aufzunehmen, allerdings ohne Vorbedingungen. Die Antwort der Regierung besteht darin, uns Dutzende von Vorbedingungen zu stellen. Das ist ihre Form zu sagen, dass sie nicht an einer politischen Lösung des bewaffneten Konflikts interessiert ist, sie sich nicht auf friedliche gesellschaftliche Transformation einlassen will.

Im März erklärte die ELN einen einseitigen Waffenstillstand. Warum wurde er nicht verlängert, wie auch zivilgesellschaftliche Organisationen gefordert hatten?

Der Waffenstillstand folgte einem entsprechenden Aufruf der UN und des Vatikans anlässlich der Coronavirus-Pandemie. Das Militär und die Paramilitärs aber haben die Feuerpause dazu genutzt, in von uns besetzte Gebiete vorzudringen, was zu einer Zunahme der Angriffe auf soziale Führungspersönlichkeiten geführt hat. Wir haben den Waffenstillstand nicht verlängert, um Operationen zum Schutz der angegriffenen Gebiete durchführen zu können. Sollte der UN-Sicherheitsrat eine Resolution zu einem weltweiten Waffenstillstand verabschieden, wird die Regierung Duque vielleicht diesmal dem Aufruf folgen und wir können eine beidseitige Feuerpause schließen.

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