- Politik
- Koreakrieg
Erster »heißer« Konflikt im Kalten Krieg
Vor 70 Jahren, am 25. Juni 1950, begann der Koreakrieg, der die Welt an den Rand des Dritten Weltkriegs brachte
Sehnlichst hatten die Koreaner gehofft, das Ende des Zweiten Weltkrieges werde ihnen nach 36-jähriger japanischer Kolonialherrschaft von 1910 bis 1945 endlich Freiheit und Unabhängigkeit bescheren. Doch bereits vor Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde durch Japan am 2. September 1945, ein Akt, der offiziell den Zweiten Weltkrieg in den Regionen Ost-, Süd- und Südostasien sowie im Pazifik beendete, hatten sich die Siegermächte USA und die Sowjetunion darauf verständigt, Korea entlang des 38. Breitengrads in zwei Besatzungszonen aufzuteilen.
Nördlich des 38. Breitengrads hatte die Rote Armee das Sagen und protegierte den antijapanischen Partisanenverband des späteren Präsidenten Kim Il Sung. Südlich des 38. Breitengrads kontrollierten die USA das politische Geschehen. Washington verhalf dort dem eigens aus US-amerikanischem Exil nach Seoul eingeflogenen Dr. Rhee Syngman zur Macht - entgegen dem Willen der damals überall in Korea rasch entstandenen Volkskomitees. Diese waren Ausdruck einer breiten Massenbewegung, deren vorrangiges Ziel darin bestand, die eigenen Belange selbstbestimmt und demokratisch zu regeln.
Während Einheiten der Roten Armee bereits Mitte August 1945 in Korea einmarschierten und am 38. Breitengrad Halt machten, legte erst am 8. September 1945 die 7. US-Infanteriedivision in Incheon an der Westküste Koreas an. Von den Volkskomitees nahmen die Besatzungstruppen unter Führung von General John R. Hodge keinerlei Notiz und installierten stattdessen die United States Army Military Government in Korea, die US-amerikanische Militärregierung in Korea - kurz: USAMGIK.
Im November 1947 beschloss die Vollversammlung der UN, die sich damals mehrheitlich aus Vertretern pro-amerikanischer Staaten zusammensetzte, die Gründung einer Provisorischen Kommission für Korea. Als Reaktion auf diese Internationalisierung der Korea-Frage verweigerte die Sowjetunion Vertretern der Kommission die Einreise in den von ihr kontrollierten Norden. Im Gegenzug propagierten Washington und die Korea-Kommission die Durchführung separater Wahlen zur Nationalversammlung im südlichen Landesteil. Damit waren zunehmende Entfremdung und separate Wege auf der Halbinsel programmiert. Die Folge: Rhee Syngman rief am 15. August 1948 die Republik Korea aus, während Kim Il Sung am 9. September in der Hauptstadt Pjöngjang die Demokratische Volksrepublik Korea proklamierte.
Beide Staaten beanspruchten jeweils für sich, legitimer Sachwalter des einen Korea zu sein. Bewaffnete Provokationen und Konfrontationen entlang der Demarkationslinie am 38. Breitengrad waren an der Tagesordnung und häuften sich seit der Jahreswende 1949/50. Mehrfach verübte der Süden militärische Angriffe nördlich des 38. Breitengrads, derer sich südkoreanische Offiziere öffentlich brüsteten. Ein Ziel dieser Attacken war die Halbinsel Ongjin, die, wäre sie eingenommen worden, den Truppen Rhee Syngmans einen direkten und raschen Zugang zu Pjöngjang ermöglicht hätte. Schließlich überquerten im Morgengrauen des 25. Juni 1950 nordkoreanische Panzereinheiten die Demarkationslinie entlang des 38. Breitengrads. Ohne nennenswerte Gegenwehr rückten sie in Seoul ein und stießen binnen weniger Tage sogar bis kurz vor die südliche Hafenstadt Busan vor. Rhees Truppen mangelte es an Motivation und Kampfkraft; scharenweise desertierten seine Soldaten und liefen zur anderen Seite über.
Noch am 25. Juni 1950 brachten die USA den Vorschlag für eine Korea-Resolution in den UN-Sicherheitsrat ein. Die damals von den USA dominierten UN unternahmen keinen Versuch, wenigstens die nordkoreanische Seite anzuhören und stimmten umgehend der Forderung Washingtons zu, mit einem eigenen Truppenkontingent Rhee zu unterstützen und »die Aggression Nordkoreas« zu stoppen. US-Präsident Harry S. Truman hatte allerdings bereits ohne Einwilligung der Vereinten Nationen Besatzungstruppen in Japan nach Südkorea verlegt, die fest davon überzeugt waren, ihnen stünde in Korea allenfalls ein wenige Wochen dauerndes »Abenteuer« bevor. So standen dem Süden Koreas die USA bei, die ihrerseits das Kommando über eine aus 15 Staaten bestehende UN-Streitmacht innehatten.
Wie Feuerwalzen rollten die Kriegsmaschinerien beider Seiten mehrfach über die koreanische Halbinsel hinweg - mal in Nord-Süd-Richtung, dann wiederum in Süd-Nord-Richtung. Als die Truppen unter dem Befehl von General Douglas MacArthur, dem Oberkommandierenden der US-Streitkräfte im Fernen Osten, den Yalu, den Grenzfluss zwischen Nordkorea und der Volksrepublik China, erreichten, ließ das in Beijing die Alarmglocken schrillen. Die chinesische Führung schickte am 19. Oktober 1950 Freiwilligenverbände nach Nordkorea, um dort »Krieg zum Widerstand gegen die USA und zur Hilfe für Korea« zu führen.
Die »Pulverisierung« - das hieß: die atomare Verwüstung - grenznaher chinesischer Städte, um den Krieg abzukürzen: dieser Plan MacArthurs ging selbst US-Präsident Harry S. Truman zu weit. MacArthur musste demissionieren. Erst nach zähen Verhandlungen kam es am 27. Juli 1953 in dem unwirtlichen Ort Panmunjom auf der Höhe des 38. Breitengrads zum Waffenstillstandsabkommen, das bis heute nicht in einen Friedensvertrag überführt werden konnte.
Dr. Rainer Werning, Politikwissenschaftler & Publizist mit den Schwerpunkten Ost- und Südostasien, ist u.a. Koautor des 2018 in der edition berolina (Berlin) erschienenen Buches »Brennpunkt Nordkorea«.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.