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Her mit dem Jugendzentrum
Jugendliche fordern mit Besetzung auf Dragoner-Areal Erhalt von »Potse« und »Drugstore«
Das Gebäude auf dem Dragoner-Areal in Kreuzberg steht seit zehn Jahren leer. »Wir wollen, dass das Haus den beiden Jugendclubs zur Verfügung gestellt wird«, sagt Dani, eine Sprecherin der Gruppe »Dragi bleibt« im Gespräch mit »nd«. »Wir wollen in Westberlin weiterhin selbstverwaltete Jugendarbeit gewährleisten.« Nach Eigenaussage handelt es sich bei den Besetzer*innen um einen unabhängigen Zusammenschluss von meist jungen Menschen, die sich zusammengefunden haben, um die Jugendzentren »Potse« und »Drugstore« zu unterstützen.
Dem »Drugstore« als ältestem selbstverwalteten Jugendzentrum Berlins wurde zum 1. Januar 2019 der Mietvertrag gekündigt. Die zugesagten Ersatzräume sollten im ersten Halbjahr 2019 fertiggestellt sein, sodass das Jugendzentrum seine Arbeit hätte weiterführen können. Darauf warten die Jugendlichen bis heute. Über die Räumung des Jugendzentrum »Potse« wird am 8. Juli gerichtlich entschieden. Somit könnte ihnen das gleiche Schicksal wie dem »Drugstore« blühen. Mit der Besetzung auf dem Dragoner-Areal wollen sie nun Druck auf die Politik aufbauen.
»Während die Mieten in Berlin immer teurer werden, steht ein großes Areal in Kreuzberg leer«, sagt Dani. Am Sonntagnachmittag harrten dort rund 100 Menschen friedlich vor dem besetzten Gebäude aus, spielten Gitarre oder unterhielten sich. Ob Menschen tatsächlich das Gebäude selbst besetzten, war schwer zu überprüfen. Erst hinderten Beamte der Berliner Polizei über 30 Minuten Journalisten daran, von der Besetzung zu berichten, danach durften Pressevertreter lediglich rund 50 Meter an das besetzte Areal heran.
Es wurde allerdings untersagt, mit den Besetzer*innen oder Menschen auf der Versammlung vor dem Gebäude direkt zu sprechen. Auch der Anwalt der Besetzer*innen wurde zwischenzeitlich von Beamten rabiat vom Gelände geschubst, durfte danach jedoch wieder zurück. Mehrere Hundertschaften der Polizei riegelten das Gelände großräumig ab.
Eigentümer des Gebäudes ist die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM), die landeseigene Immobilien vermietet oder verwaltet. Im Laufe des Nachmittags stellte diese einen Strafantrag gegen die Besetzung. Die BIM ist auch Eigentümer der Gebäude, die im Rahmen der »Tu mal Wat«-Aktionstage im September vergangenen Jahres besetzt wurden. Nach längeren Verhandlungen, die unter anderem die grüne Bundestagsabgeordnete Canan Bayram und Harald Gindra, Abgeordneter der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus führten, wurde klar, dass die BIM zu keinen Verhandlungen bereit ist. Die Polizei räumte darauf die Blockade vor dem Haus.
Laut Martin Halweg, Vertreter der Pressestelle der Polizei vor Ort, wurden keine Personalien der Jugendlichen aufgenommen. Dies bestätigen auch Gespräche mit dem Anwalt der Besetzer*innen. Es kam zu keiner Anzeige.
Canan Bayram bezeichnete im Gespräch mit dem »nd« den Strafantrag der BIM als »falsch«. Es sei notwendig, dass ein landeseigenes Unternehmen »über seine Politikerinnen und Politiker verhandelt« und dies nicht mit dem Strafantrag auf die Polizei abschiebe. Der Unmut der Besetzer*innen gegenüber Polizei war dementsprechend groß. Um das Dragoner-Areal wurde lange gerungen.
Das über 4,7 Hektar große Areal beherbergt neben dem Club »Gretchen« eine Vielzahl von Kleingewerbe. Um die Privatisierung des Geländes zu verhindern, wurde es im November 2018 an das Land Berlin überschrieben und wird seitdem von der BIM treuhänderisch verwaltet.Dort soll ein Mischgebiet aus Wohnungen und Gemeinschaftseinrichtungen, Kultur und Grünflächen entstehen. Das bestehende Gewerbe soll gesichert, die Hälfte des Wohnraums öffentlich gefördert werden.
Aufgrund dieses ganzheitlichen Konzepts gibt es auch Kritik an der Besetzung. Die Initiative »Stadt von unten«, die auf dem Gelände ein Modellprojekt umsetzen will, kritisierte, dass das leer stehende Gebäude als Lager für Gewerbetreibende genutzt werden solle. Die Besetzung erschwere den gesamten Planungsprozess des Projekts. »Die Besetzung unterläuft die Positionen, die wir in jahrelanger Auseinandersetzung mit dem Ort entwickelt haben«, so die Initiative.
Gegenüber »nd« erklärt Dani, das Gebäude sei groß genug für die Jugendclubs und das Lager. »Aber wir sind wütend auf die Stadtpolitik und solidarisch mit bedrohten Strukturen. Darum mussten wir jetzt handeln.«
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