Zwei Drittel der Franzosen blieben zu Hause

Grüne Welle bei Kommunalwahlen setzt Präsident Emmanuel Macron unter Druck

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Kommunalwahl, die am Sonntag mit dem zweiten Wahlgang abgeschlossen wurde, brachte eine grüne Welle, die sich als noch höher erwies, als es die Prognosen erwarten ließen. Besorgniserregend war, dass offiziellen Zahlen zufolge nur 34,67 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgaben, während es bei der ersten Runde noch 44,3 Prozent waren. Diese Wahlbeteiligung ist die mit Abstand schlechteste in der bis 1958 zurückreichenden Geschichte der Fünften Republik. Die Ursache sehen Experten vor allem in einer stetig zunehmenden Politikverdrossenheit.

Der eindrucksvolle Zuwachs für die Grünen entspricht dem wachsenden Umweltbewusstsein in der Bevölkerung. So konnten die Grünen die Großstädte Bordeaux, Straßburg, Besançon, Annecy, Poitiers und Tours erobern. Sie setzten sich auch in Frankreichs drittgrößter Stadt Lyon durch.

Emmanuel Macrons Bewegung »En marche« musste landesweit Einbußen hinnehmen. Erfolgreich war lediglich Macrons Premierminister Edouard Philippe, der als »unabhängiger Zentrumspolitiker« mit großem Abstand wieder zum Bürgermeister von Le Havre gewählt wurde. Das war er schon vor seiner Berufung zum Regierungschef und würde es schon bald wieder, sollte er nach einer in Kürze zu erwartenden Regierungsumbildung als Premier abgelöst werden.

Den vielerorts mit den Grünen verbündeten Sozialisten ermöglichte die Wahl, etwas von den 2017 verlorenen Positionen zurückzugewinnen. So setzte sich in Nancy der PS-Kandidat durch. In Paris konnte sich die sozialistische Bürgermeisterin Anne Hidalgo mit großem Vorsprung im Amt behaupten. Dagegen stand in Lille die Wiederwahl der Sozialistin Martine Aubry infrage. Sie siegte letztlich mit nur 227 Stimmen Vorsprung.

Die Kommunisten verloren im ehemals roten Gürtel um Paris die Vorstädte Saint-Denis und Aubervilliers, konnten allerdings das 2014 verlorene Bobigny zurückerobern.

In Frankreichs zweitgrößter Stadt Marseille konnte eine links-grüne Einheitsliste den dort seit mehr als 20 Jahren regierenden Rechten auf die Pelle rücken. Sie errang 42 Sitze im Stadtrat, ebenso viele wie die Rechten halten konnten. Welches Lager den Bürgermeister stellt, wird sich auf der ersten Stadtratssitzung Ende der Woche entscheiden.

Die rechtskonservativen Republikaner haben zahlreiche Großstädte verloren und konnten nur Toulouse und Saint-Etienne halten. In Perpignan siegte Louis Aliot, der vom rechtsextremen »Rassemblement national« kommt, aber als Unabhängiger kandidiert hat und für seine Liste sowohl rechte wie linke Lokalpolitiker gewinnen konnte. Trotzdem heftet sich jetzt das »Rassemblement national« diesen Wahlerfolg an die Fahne, zumal es sich um seine erste Stadt mit mehr als 100 000 Einwohnern seit Toulon 1995 handelt.

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