Tönnies tritt als Schalke-Boss zurück

Vereinschef des Fußballbundesligisten legt mit sofortiger Wirkung alle Ämter im Verein nieder

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Gelsenkirchen. Ein donnernder Paukenschlag am Nachmittag markierte bei Schalke 04 das Ende einer Ära der Großmannssucht und den Aufbruch ins Ungewisse. Der einst allmächtige Patriarch und Vereinschef Clemens Tönnies legt bei den Königsblauen mit sofortiger Wirkung alle Ämter nieder. Beim bis über beide Ohren verschuldeten Bundesligisten ist somit eine Woche nach dem Abschied von Finanzboss Peter Peters nichts mehr, wie es vorher war.

Tönnies (64), durch rassistische Äußerungen und den Skandal um Arbeitsbedingungen in seiner corona-verseuchten Fleischfabrik schwerstens angeschlagen, beugt sich dem massiven Druck vor allem der Ultraszene. Überall in der Stadt und am Vereinsgelände hingen zuletzt Anti-Tönnies-Plakate - mit der zusammengefassten Botschaft: Der milliardenschwere Unternehmer, seit Jahrzehnten eine prägende Figur auf Schalke, solle sich zum Teufel scheren.

Der Verein verabschiedete Tönnies hingegen mit warmen Worten. »Als Mitglied und Vorsitzender des Aufsichtsrats hat Clemens Tönnies entscheidenden Anteil daran, dass sich Schalke 04 in den vergangenen 26 Jahren als eines der sportlichen und wirtschaftlichen Schwergewichte in der Bundesliga etabliert hat«, teilten die Vorstände Alexander Jobst und Jochen Schneider mit. »Wir wissen, wie schwer ihm diese Entscheidung gefallen ist. Dafür gebührt ihm höchster Respekt.«

Tönnies war seit 2001 Aufsichtsratschef, in Schalker Gremien saß er seit 1994. Ein wirtschaftliches Schwergewicht aber sind die chronisch knappen Knappen nur noch in Sachen Schulden: 197,9 Millionen Euro Verbindlichkeiten wies der Konzernabschluss 2019 aus - und das ohne negative Corona-Effekte.

Deshalb hatte Schalke schon am früheren Dienstag die Schlagzeilen bestimmt. Laut Handelsblatt nimmt der Verein eine 40-Millionen-Euro-Ausfallbürgschaft des Landes Nordrhein-Westfalen in Anspruch, um einen Kredit abzusichern, der für den Traditionsklub überlebenswichtig ist. Die pandemiebedingten Verluste bezifferte der eine Nummer größere Erzrivale Borussia Dortmund zuletzt auf 45 Millionen Euro, was die Höhe der erwünschten S04-Bürgschaft erklären könnte.

»Es wird garantiert keine Lex Schalke 04 geben«, versicherte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet aber in der Düsseldorfer Landespressekonferenz. Jede Bürgschaft werde »nach strengen Kriterien geprüft«. Ob Tönnies' Rücktritt eine Bedingung war, blieb zunächst unklar.

Laschet ließ sämtliche Medienberichte mit Verweis auf die vorgeschriebene Vertraulichkeit unbestätigt. »Es gibt keine Entscheidung in irgendeiner Bürgschaftsfrage«, ohnehin sei das Problem: »Ich dürfte noch nicht mal bestätigen, dass ein Antrag existiert.«

Das NRW-Finanzministerium hatte auf SID-Anfrage ebenfalls erklärt, eine Auskunft sei nicht möglich. Schalke wollte sich nicht äußern, am Mittwoch soll die prekäre Finanzlage auf einer Pressekonferenz erörtert werden. Dort wird allerdings nun das Thema Tönniesund die Nachfolge dominieren: Denn die ist laut Vereinsauskunft offen. Es entsteht ein Machtvakuum.

Der nun auch personelle Umbruch von Champions-League-Träumen hin zum knallharten Sparkurs erscheint alternativlos. Im April sprach Jobst bereits von einer »potenziell existenzbedrohenden« Lage, 26,1 Millionen Euro Verlust schrieb Schalke 2018/19. Die Bürgschaft könnte das Bestehen des Vereins sichern. »Das ist nicht ehrenrührig, wohlwissend, dass die Volksseele anders empfindet«, sagte BVB-Boss Hans-Joachim Watzke am Dienstag. Im Internet hatte sich da schon ein Shitstorm zusammengebraut.

Jedes Heimspiel ohne Zuschauer kostet Schalke zwei Millionen Euro, hinzu kommen Mindereinnahmen in den Bereichen Werbung/Marketing. Auf dem eingebrochenen Transfermarkt werden zudem kaum hohe Summen zu generieren sein.

Doch die Schalker haben bereits gegengesteuert. Laut SZ führt der Verein als erster Bundesliga-Klub eine Gehaltsobergrenze für Spieler von 2,5 Millionen Euro jährlich ein. Auf Schalke geht es ums Ganze - abrupt nun ohne Clemens Tönnies. Die in der Vereinsgeschichte einmalige Serie von 16 Bundesliga-Spielen ohne Sieg ist derzeit das geringste Problem. SID/nd

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