Journalistenverband kritisiert Polizei

Mehr Unterstützung und Schutz vor Bedrohungen durch Behörden für Reporter in Berlin gefordert

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Vorgang ist als Video auf dem Kurznachrichtendienst Twitter bestens dokumentiert. Zu sehen ist, wie unter anderem ein Fernsehteam des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus am vergangenen Wochenende von dem Berliner Verschwörungsideologen Attila Hildmann und offensichtlichen Anhängern bedroht, beschimpft und angegangen wird.

»Es kann nicht sein, dass die Journalisten bei der Ausübung Ihres Berufes als ›Faschisten‹ beschimpft werden und mit dem Ausspruch ›Wir finden eure Namen und dann gucken wir mal weiter‹ bedroht werden und angegriffen werden, ohne dass die anwesenden Polizeibeamten eingreifen und die Kollegen schützen«, erklärt Renate Gensch, die Landesvorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju). Der Verband fragt sich, warum nach den belegten Beschimpfungen, Bedrohungen und Angriffen nicht gleich strafrechtliche Schritte eingeleitet worden waren. Erst durch die Veröffentlichung des Jüdischen Forums und eine Strafanzeige eines betroffenen Journalisten sei der Vorfall bekannt geworden. Gensch betont: »Den Fall nun erst für die Vorbereitung künftiger Einsätze einfließen zu lassen, ist ein Armutszeugnis für die Berliner Polizei.«

Der Journalistenverband fordert, dass er zu einem Gespräch mit Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik sowie Innensenator Andreas Geisel (SPD) eingeladen wird, der für die Polizei in der Hauptstadt zuständig ist. Durch das Treffen soll für die Zukunft sichergestellt werden, dass die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten in Berlin nicht behindert wird und die Pressefreiheit gewahrt bleibt. »Über den Deutschen Presserat haben wir als Verdi eine Vereinbarung mit der Innenministerkonferenz geschlossen, dass Inhaber des einzig anerkannten Presseausweises bei ihrer Arbeit unterstützt werden. Das heißt auch, dass die Polizei Journalistinnen und Journalisten vor Übergriffen schützt«, so Gensch.

In das Gespräch mit den Behördenspitzen soll darüber hinaus auch ein weiteres Vorkommnis vom vergangenen Wochenende einfließen: Wie andere Journalisten hatte auch ein Reporter des »nd« am vergangenen Sonntag bei der Berichterstattung über eine Besetzung des Dragoner-Areals es als Einschränkung empfunden, dass er nach eigenem Bekunden über 40 Minuten von Polizisten daran gehindert worden sei, auf das Gelände zu kommen. Zudem wurde dem Reporter, so hieß es, untersagt, mit den jugendlichen Besetzern zu sprechen. Fotografen wäre es außerdem wegen der weiträumigen Absperrung nicht möglich gewesen, vor Ort zu fotografieren.

Auch die dju erkennt im geschilderten Dragoner-Areal-Fall eine »seltsame Einstellung zur Pressefreiheit«. Denn auf dem Presseausweis heißt es, der Ausweis »soll, sofern dies nicht aus zwingenden Gründen verweigert werden muss, seine/ihre Berufsausübung innerhalb behördlicher Absperrungen zur aktuellen Berichterstattung erleichtern«.

Erst Ende Februar hatte sich »nd« an die Polizeipressestelle mit der Bitte um Klärung gewandt, nachdem eine Kollegin bei einer anderen Besetzung während der Berichterstattung über mehrere Stunden von der Polizei festgehalten worden war - eine Antwort der Polizeipressestelle auf die Gesprächsbitte hat diese Zeitung bis heute nicht bekommen.

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