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Antidopingwelt in Aufruhr
Die USA wollen der Weltantidopingagentur das Geld kürzen.
Es gibt Ärger im Kampf gegen Betrug im Sport: Die Weltantidopingagentur Wada stört sich an einem neuen Antidopinggesetz in den USA, das US-Ermittlern die Möglichkeit geben soll, im Ausland gegen internationale Netzwerke zu ermitteln. Der US-Kongress plant dies, weil er - nicht zu unrecht - die Wada im Kampf gegen das Doping als zu lasch empfindet. Wie die ebenfalls im Kongress diskutierte Kürzung der Wada-Subventionen nun aber dieser Laschheit entgegenwirken soll, ist unklar.
Die Antidopingwelt ist in Aufruhr. Sie müsste es eigentlich aus ganz anderen Gründen sein. Denn in vielen Sportarten wird munter weitergedopt, die Aufklärungsrate bewegt sich aber im unteren Prozentbereich. Nur dort, wo solide ermittelt wird, werden Doper gefasst. Beispiel Gewichtheben: Als 2015 die WM in den USA stattfand und die Wettkampfkontrollen ausnahmsweise nicht von der ungarischen Heimatagentur des mittlerweile wegen Korruption geschassten Dauerpräsidenten Tamas Ajan durchgeführt wurden, sondern von der Antidopingagentur des Gastgebers, gab es gleich 24 positive Fälle. Die Vertuschung von weiteren 40 Fällen lastet der Präsident der US-Antidopingagentur Usada, Travis, Tygart dem Weltverband der Heberinnen und Heber an.
Weil oft Doper gefasst werden, wenn der Usada-Chef seine Ermittler in Marsch setzt - man denke an Lance Armstrong, die Balco-Affäre und auch das Oregon-Projekt von Nike in der Leichtathletik - haben zwölf Senatoren in Washington ein Antidopinggesetz auf den Weg gebracht, das US-Ermittlern in Zukunft freie Hand auch bei Dopingdelikten im Ausland geben soll. Bis zu zehn Jahre Haft und eine Million Dollar Strafe drohen überführten Tätern.
In der Begründung für den Gesetzentwurf spart das Washingtoner Büro für Nationale Drogenkontrollpolitik (ONDCP) nicht an Kritik gegenüber der Wada: Inkompetent, intransparent, ineffektiv - so lässt sich das zusammenfassen. Usada-Chef Tygart nennt den Bericht ganz trocken »eine schwer belastende, aber vollkommen zutreffende Beschreibung der Leistung der Wada und ihres Versagens beim Schutz sauberer Athleten«. Jim Walden, Anwalt des Doping-Kronzeugen Grigori Rodschenkow, nach dem das neue Gesetz benannt ist, und der selbst an der Abfassung des Entwurfs beteiligt war, meinte zur »Washington Post«: »Alles, was in dem Bericht des ONDCP steht, ist nicht überraschend für Leute, die sich mit den Themen auskennen«.
Walden und Tygart darf man getrost zustimmen. Die Wada beschränkte sich zuletzt auf die Verwaltung des Antidopingkampfs. Im Skandal des russischen Staatsdopings fiel die je zur Hälfte von Politikern, und Sportfunktionären geführte Behörde negativ durch einen Schlingerkurs auf. Selbst der ungarische Heber-Präsident Ajan steckte bis 2018 im Wada-Stiftungsrat, er war sogar Gründungsmitglied. Eine gewisse Ineffizienz der Wada war von mindestens einem ihrer Gründer also erwünscht, darf man vermuten.
Pikant ist, dass der Absender des kritischen Wada-Berichts, ONDCP-Direktor James Carroll, selbst im Stiftungsrat der Behörde sitzt. Weder er noch frühere Wada-Funktionäre aus den USA fielen bisher durch harsche Kritik innerhalb des Stiftungsrats auf. Der plötzliche Sinneswandel passt gut in die politische Großwetterlage. Auch aus anderen internationalen Organisationen wie WHO oder Unesco will die Trump-Regierung austreten und droht mit Geldentzug. Das vergiftet die Kritik an der Wada, macht sie zum Bestandteil eines politisches Manövers.
Die Drohung mit dem Geld träfe die Wada empfindlich. Die USA steuern jährlich 2,7 Millionen Dollar zum Wada-Budget von 37,4 Millionen Dollar bei. Weil das IOC die Beiträge aller Staaten noch einmal gegenfinanziert, und damit die Hälfte des kompletten Wada-Haushalts trägt, würde ein Ausfall sogar ein Loch von 5,4 Millionen Dollar reißen.
Wada-Präsident Witold Banka »bedauert« den Report dann auch und weist auf die Reformbemühungen seiner Organisation hin. Auf nd-Anfrage zeigt sich die Wada vor allem besorgt, dass das US-Gesetz zu Überschneidungen in der internationalen Rechtssprechung führen und die Sicherheit von Whistleblowern gefährden könne.
Die Nationale Antidopingagentur (Nada) Deutschlands bewahrt in diesem Streit eine eigene Position. Sie sieht zwar den drohenden Geldentzug kritisch, begrüßt andererseits die Bemühungen um ein scharfes Antidopinggesetz in den USA. »Damit wird der Schutz von sauberen Athletinnen und Athleten und Hinweisgebern verstärkt«, teilte die Nada gegenüber »nd« mit. Bezogen auf die Anwendung von US-Gesetzen auch jenseits der Landesgrenzen argumentiert sie vorsichtig: »Im Sinne einer international möglichst einheitlichen Antidopingarbeit ist es wichtig, die Rechtsfolgen des sogenannten Rodshenkov Acts noch vor Inkrafttreten in den internationalen Antidopinggremien umfassend zu erörtern und mögliche Kooperationsmodelle frühzeitig festzulegen.«
Das klingt doch mal konstruktiv, nach Ausnutzung der Möglichkeiten, die das Gesetz bei der Aufdeckung internationaler Dopingnetzwerke bieten kann. Wenn es dann andere Wada-Funktionäre den Job kostet - vor Heber-Chef Ajan musste schon Biathlon-Patron Anders Besseberg (Norwegen) den Sitz im Foundation Board wegen Korruption und Dopingvertuschung räumen - wäre es nur im Sinne eines sauberen Sports.
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