- In eigener Sache
- neues deutschland
Wir sind »nd«
Warum unsere Zeitung mit verändertem Titel und neuem Layout erscheint
Liebe Leserinnen und Leser,
Sie haben es sicherlich bemerkt: Beim »nd« hat sich etwas getan. Ab der heutigen Ausgabe erscheint unsere Zeitung montags bis freitags in einem neuen Layout, entworfen von Maximilian Sauerbier und umgesetzt von Georg Ramsperger und Max Grambihler. Und, noch viel augenfälliger: Wir haben Zeitungstitel und Zeitungskopf verändert.
Dass wir diesen Schritt jetzt gehen, hat seine Gründe. Es ist ziemlich genau 30 Jahre her, dass in der Nachwendezeit, im Frühsommer 1990, aus dem parteieigenen Betrieb »Neues Deutschland« eine GmbH wurde, die in die Marktwirtschaft startete - unter neuen, schwierigen Bedingungen mit D-Mark und großer Konkurrenz und, wie sich zeigen sollte, gegen politische Widerstände. »Feindlich wäre das passende Wort« - so beschrieb kürzlich der damalige Chefredakteur und Geschäftsführer Wolfgang Spickermann im nd-Interview den Kurs der Treuhandanstalt und der sogenannten Parteienkommission gegenüber dieser Zeitung. Und: Der unmittelbar bevorstehende Untergang sei dem »nd« oft vorhergesagt worden.
Jetzt, 30 Jahre danach, sind wir immer noch da. Nicht ohne Beulen und Blessuren - wie so ziemlich alle Blätter kämpfen wir mit den Auswirkungen einer sich rasant verändernden Medienwelt und dem Rückgang der Druckauflage -, aber kämpferisch und selbstbewusst. Fast 75 Jahre nach der Gründung dieser Zeitung ist es keine Übertreibung, von den zwei Leben des »nd« zu sprechen. Im ersten Leben, bis 1989, war es Zentralorgan, Staatsanzeiger, Sprachrohr, Diener einer Partei. Was nicht heißt, dass kein Journalismus stattgefunden hätte - aber unter strenger Anleitung und Kontrolle.
Im zweiten Leben, seit nunmehr drei Jahrzehnten, ist das »nd« eine redaktionell unabhängige Zeitung - in Opposition zur herrschenden Politik und zu den herrschenden Verhältnissen. Die sich nicht abfindet mit diesen Zuständen und sie nicht für das Ende der Geschichte hält. 30 Jahre des zweiten nd-Lebens liegen hinter uns, in denen bis heute nicht viel sicher ist, außer: dass wir ein linkes, streitbares Blatt machen wollen und dass wir kämpfen müssen, weil uns kein höheres Wesen rettet. Oder wie Brecht es sagte: Um uns selber müssen wir uns selber kümmern.
Das alles steckt in dem Kürzel »nd«, das Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Leserinnen und Leser seit vielen Jahren ganz selbstverständlich benutzen, wenn sie von dieser Zeitung sprechen oder schreiben. Unsere gemeinsame Geschichte steckt darin, der wir weder entkommen können noch wollen, und die Gegenwart. Und - wenn es nach uns geht - auch die Zukunft.
Inzwischen sind nur noch sehr wenige Kolleginnen und Kollegen in Redaktion und Verlag tätig, die bereits im ersten nd-Leben hier angefangen haben zu arbeiten. Die allermeisten kamen später dazu, viele erst in den letzten drei, vier Jahren. Immer wieder seit 1990 ist darüber nachgedacht worden, ob das »nd« seinen Namen ändern sollte. Und immer spielte dabei der Gedanke eine Rolle, ob uns das nicht als Flucht aus der Vergangenheit, als Etikettenschwindel ausgelegt würde.
Das ist auch jetzt nicht ausgeschlossen. Aber jetzt, im Jahr 2020, sagen wir: Die 30 Jahre des zweiten nd-Lebens wiegen schwer; sie sind eine neue Geschichte. Sie geben uns das Selbstbewusstsein, die Veränderung auch im Zeitungstitel deutlich zu machen. Wir haben erst uns und unsere Zeitung gründlich verändert, nun folgt das Label - nicht andersherum. Aus »neues deutschland« wird mit dieser Ausgabe »nd.DerTag«. So, wie wir am Wochenende schon seit fast zwei Jahren als »nd.DieWoche« erscheinen.
Als 1946 diese Zeitung gegründet wurde - als Organ der ebenfalls neu gegründeten SED und Nachfolgerin der Zeitungen »Deutsche Volkszeitung« (KPD) und »Das Volk« (SPD) -, gaben die Initiatoren ihr den Namen »Neues Deutschland«. Das war damals eine kühne Vision: Man wollte nach den Jahren des Faschismus und des verheerenden Zweiten Weltkriegs ein anderes, friedliches Land aufbauen - eben ein neues Deutschland. Die DDR war ein historisch ambitioniertes Projekt, das zeit seiner Existenz mit inneren Widersprüchen und Defiziten sowie und äußeren Zwängen und Angriffen zu kämpfen hatte.
Vor gut 30 Jahren ist der real praktizierte Sozialismus, in dem das »Neues Deutschland« als Zentralorgan der führenden Partei eine führende Rolle spielte, gescheitert und seither in den Augen vieler Menschen diskreditiert. Würde heute jemand eine linke Zeitung gründen, er würde wohl kaum auf den Namen »Neues Deutschland« kommen. Weil die Zeiten sich geändert haben. Weil die Probleme dieser Welt nicht allein in einem Land gelöst werden können. Weil es heute viel stärker um Europa und die Welt geht und nationale Bezüge nicht Sache der Linken sind.
Nicht nur die Zeiten haben sich geändert, sondern auch unsere Zeitung. Wir waren seit 1989 zu permanenter Veränderung gezwungen, um des Überlebens willen. Dass wir es schaffen, wollten seit der Wende vor 30 Jahren nicht wenige am liebsten verhindern. Der Treue unserer Leserinnen und Leser und der Beharrlichkeit eines oft gewandelten nd-Teams ist es zu verdanken, dass das »nd« nicht im Orkus der Geschichte verschwunden ist.
Heute sind wir eine unüberhörbare, für die Leserinnen und Leser unverzichtbare linke Stimme in der politischen und Medienlandschaft geworden. Im gesamtdeutschen System waren wir nicht vorgesehen und gehören jetzt dennoch dazu - nicht weil wir uns angepasst, sondern weil wir uns behauptet haben. Als Ort der Gegeninformation in einer von wenigen Großverlagen beherrschten Medienlandschaft; als Ort auch der lebendigen, streitbaren linken Debatte um gesellschaftliche Alternativen. Und als publizistische Plattform aus und in Ostdeutschland.
Wir verändern uns, und wir bleiben uns treu. Wir bleiben die »Sozialistischen Tageszeitung«, wie es im Kopf der Titelseite seit dem 18. Dezember 1989 steht - »nd« ist eine linke, pluralistische Zeitung mit klarer Haltung. Wir schreiben nicht über Krieg, wir schreiben gegen Krieg und für eine Friedenspolitik. Wir schreiben nicht über soziale Ungerechtigkeit, sondern dagegen und für mehr Gerechtigkeit. Wir schreiben nicht über, sondern gegen Diskriminierung jeglicher Art und für mehr Gleichberechtigung der Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, Religion und sexueller Identität.
Bei uns hat vieles Platz, aber nicht alles, weil wir Pluralismus nicht mit Beliebigkeit verwechseln: Faschismus ist für uns keine Meinung, sondern ein Verbrechen; Antifaschismus verstehen wir als Auftrag, und Hetze gegen Minderheiten steht auf unserem Index.
Dafür stehen die beiden Buchstaben »nd«, die unsere Zeitung seit ihrer Gründung begleiten - nicht nur als Kürzel, sondern auch als Markenzeichen. Auch als Markenzeichen für die Vielfalt unserer Publikationen: »nd.DerTag«, »nd.DieWoche«, die Monatszeitung »Oxi« sowie die digitalen Angebote mit Webseite, App, Videos und Podcasts. Nehmen Sie uns in kritischer Solidarität auch künftig beim Wort!
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.