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Kreml sendet Warnsignale
Gebietschef holt Vergangenheit ein. Ex-Journalist unter Spionageverdacht
Sergej Furgal ist nicht der erste amtierende russische Gouverneur in Haft. Aber er ist der erste, gegen den der Vorwurf »Auftragsmord« erhoben wird. Am 9. Juli erfolgte die Festnahme des 50-Jährigen im fernöstlichen Chabarowsk, am Freitag wurde er dem Haftrichter in Moskau vorgeführt. Pikant an der Sache ist, dass die ihm zur Last gelegten Vorfälle über fünfzehn Jahre zurückliegen und Furgal in der Zwischenzeit eine beeindruckende politische Karriere hingelegt hat: Von 2007 bis 2018 saß er für die Liberaldemokratische Partei (LDPR) in der Staatsduma und ging vor zwei Jahren in einer Stichwahl als Überraschungssieger gegen den damaligen Amtsinhaber Wjatscheslaw Schport von der Staatspartei Einiges Russland aus den Gouverneurswahlen hervor.
Im vergangenen Jahr hat die LDPR bei den Gebietswahlen ihre regionale Dominanz über die Partei Einiges Russland erneut bewiesen. Der letzte Tropfen auf den heißen Stein war womöglich der relativ geringe Zuspruch zu den jüngsten Verfassungsänderungen mit nur 62 Prozent bei extrem niedriger Wahlbeteiligung im Chabarowsker Gebiet. Aus Sicht des Kremls muss dies wie ein Kontrollverlust über eine abtrünnige Region wirken oder gar als Kampfansage und nicht wie legitime politische Konkurrenz.
Vermutlich war Furgals Laufbahn besiegelt, seit er den Gouverneurssessel bestieg. Indes deutet vieles auf seine kriminelle Vergangenheit hin. LDPR-Chef Wladimir Schirinowskij, der sonst immer auf das saubere Image seiner wegen zweifelhafter Geschäftspraktiken verrufenen Partei bedacht ist, lässt nichts auf Furgal kommen. Aber letztlich geht es wohl weniger um die Abrechnung mit einem Politiker oder, nach weiteren Festnahmen in Chabarowsk, um die Zähmung einer Partei. Womöglich hat die LDPR, 1989 gegründet und damit älteste politische Partei in Russland, als systemstützendes Element ausgedient. Bei den kommenden Dumawahlen kann deren Funktion gut und gerne die neue Kremlpartei »Für die Wahrheit« des Schriftstellers und Donbass-Veteranen Sachar Prilepin ersetzen. Auch für die Kommunistische Partei (KPRF), die sich mit ihrer Kritik an den von Wladimir Putin initiierten Verfassungsänderungen nicht zurückhielt und damit gegen das Prinzip der Verlässlichkeit verstieß, ist das ein Warnsignal.
Bereits am vergangenen Dienstag erfolgte eine andere spektakuläre Festnahme. Dem erst kürzlich zur staatlichen Weltraumagentur Roskosmos gewechselten Iwan Safronow wird Landesverrat zur Last gelegt, worauf bis zu 20 Jahre Haft stehen. Der 30-jährige ehemalige Journalist soll 2012 vom tschechischen Geheimdienst angeworben worden sein, und seit 2017 als Informationsquelle über Russlands Militärkooperation mit Ländern im Nahen Osten und in Afrika dienen, wobei nach Ansicht der Ermittler die von ihm erbrachten Hinweise an die USA weitergeleitet wurden. Safronows Verteidiger bemängelten, dass in den bislang bekannten Unterlagen nichts auf die Weitergabe von Staatsgeheimnissen hindeute.
Zehn Jahre lang arbeitete Safronow, wie sein Vater, für die wirtschaftsliberalen Tageszeitungen »Kommersant« und kurzzeitig für »Vedomosti«. Seine Publikationen zu heiklen Themen zeugen von fundierten Kenntnissen und Professionalität: Er berichtete über die vor der Öffentlichkeit geheimgehaltene Auszeichnung des Putin-Freundes und Generaldirektors des Staatskonzerns Rostech, Sergej Tschemesow, als »Helden Russlands«, den Tod russischer Militärangehöriger in Syrien und über einen milliardenschweren Vertrag über die Lieferung von Su-35-Jagdbombern nach Ägypten. Nach dieser Publikation drohten die USA Ägypten mit Sanktionen und Safronow wurde erstmals wegen des Verrats von Staatsgeheimnissen verhört. Allerdings bestehen Zweifel an dem Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Über Jahre bespitzelte der russische Auslandsgeheimdienst SWR Safronow und lägen ernsthafte Indizien gegen den ehemaligen Journalisten vor, hätte seine Kandidatur bei Roskosmos kaum Chancen auf Erfolg gehabt.
So jedoch stellt sich nicht nur die Frage nach den Grundlagen für die Ermittlungen, sondern auch nach dem Zeitpunkt der Festnahme. Und wegen der Kritik an seiner Tätigkeit für Roskosmos, wie sie etwa der Oppositionelle Aleksej Nawalnyj äußerte, könnte sich die öffentliche Solidarität mit Safronow als unbequemem Journalisten in Grenzen halten.
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