Sehnsucht nach Landregen

Im Spreewald lebt der Landwirt Thomas Goebel mit der Dürre und anderen extremen Wetterlagen

  • Ida Petrat, Vetschau
  • Lesedauer: 6 Min.

Raps hat Thomas Goebel das letzte Mal vor zwei Jahren erfolgreich angebaut. »Die Pflanze kommt im August in den Boden, dann ist es zu trocken und zu heiß«, erklärt der Landwirt aus Vetschau im Spreewald. Zu Besuch ist Benjamin Raschke, Fraktionschef der Grünen im Brandenburger Landtag. Goebels Göritzer Agrar GmbH ist eine der Stationen auf der Sommertour des Politikers. Er möchte sich hier informieren über den Umgang der Bauern mit der Trockenheit und über Blühstreifen. Auf über 60 Grad Celsius könne sich der sandige Acker im August erhitzen, erläutert Thomas Goebel. Wie jeder wisse, gerinne Eiweiß bei 56 Grad. Nur wenige Pflanzen vertragen derartige Temperaturen. Raps gehört nicht dazu.

»Das Wetter ist unberechenbar. Die Ernte ist erst sicher, wenn sie eingefahren ist«, sagt der Landwirt. Erst im Juni hat ein starker Hagelsturm einen Teil seines Gemüses vernichtet. Dürrejahre und unberechenbare Wetterextreme - spüren die Bauern im Spreewald bereits den Klimawandel?

Eines der Probleme ist der trockene Boden. Erst ab einer Tiefe von etwa zwei Metern findet sich Grundwasser, weiter oben speichert die Erde kaum Feuchtigkeit. Doch die Niederschläge bleiben aus. Und Regen ist nicht gleich Regen. »Starkregen fließt sofort wieder ab«, weiß Goebel. Ausgetrocknete Böden können die plötzlichen Wassermassen dann gar nicht aufnehmen. Nur bei einem lang anhaltendem Landregen, bei dem die Tropfen sanft auf die Erde fallen, gelangt das Nass auch in tiefere Schichten und sorgt für eine gute Bodenfeuchte. Ein anderes Problem ist die intensive Sonneneinstrahlung, die zu regelrecht verbranntem Gemüse auf den Feldern führt.

Die Landwirte bauen bereits Sorten und Arten an, die mit der Trockenheit besser zurechtkommen. Selbst die sonnenhungrige Wassermelone wächst mittlerweile in der Lausitz. Aber die Bauern nutzen ihre Äcker auch anders: Das Land Brandenburg unterstützt sie finanziell, wenn sie Blühstreifen anlegen. 700 Euro Fördermittel pro Jahr und Hektar gibt es dann. Das ist ein sicheres Zusatzeinkommen und deshalb willkommen. Dill, Facelia, Fuchsschwanz und Malve sind einige von insgesamt 14 verschiedenen Pflanzen, die in einem geförderten Blühstreifen ausgesät werden müssen, um Insekten und andere Tiere anzulocken.

Allerdings wachsen diese Pflanzen nicht überall wie gewünscht. Goebel präsentiert an einem Acker mit Hafer und Mais einen nach allen Regeln für die Fördermittel angelegten Blühstreifen, auf dem die Pflanzen ziemlich verkümmert aussehen. Es gibt hier auch nur wenige Insekten. Dann fährt Goebel den Abgeordneten Raschke zu einem anderen Blühstreifen, auf dem Pflanzen ausgesät sind, die auf dieser Fläche erfahrungsgemäß besonders gut gedeihen. »Die Mischung muss standortbezogen sein«, ist Goebel überzeugt. In dem violetten Blütenmeer tummeln sich so viele Hummeln und Bienen, dass man sie schon von Weitem summen hört. Der Bauer ist stolz auf dieses Ergebnis. Aber für diesen Blühstreifen mit selbst ausgewählten Pflanzen erhält er keine Förderung. Goebel und andere Bauern im Spreewald sprechen sich mit Imkern ab. An einem Feld kann der Bauer Bienenstöcke zeigen. Er hält Abstand. Doch Benjamin Raschke geht näher heran, um sich das anzuschauen.

Einige Bauern verpachten Flächen, auf denen Solaranlagen aufgestellt werden. Auch Goebel überlegt, dies zu tun. Immerhin wäre das eine weitere sichere, von der Ernte unabhängige Einnahmequelle. Verpachtet werden die Flächen für die Solaranlagen für 20 Jahre. Danach können die Landwirte dort, abhängig von der Entwicklung, auch wieder Ackerbau betreiben.

Thomas Goebel ist experimentierfreudig. Eine innovative Idee hat er bereits umgesetzt. Er heizt seinen Agrarbetrieb mit dem Gras seiner Überschwemmungswiesen im Spreewald. Die Technik dafür wurde über vier Jahre hinweg ausgetüftelt. Die Wiesen, die sich in der Schutzzone II des Biosphärenreservats Spreewald befinden, werden hierfür erst Anfang September gemäht, wenn das Gras bereits leicht holzig und als Tierfutter unattraktiv geworden ist. Die nächsten Schritte übernimmt die Natur: Regen wäscht Schwermetalle und andere Stoffe aus dem Gras, die Sonne trocknet es an warmen Oktobertagen. Anschließend wird das Heu zu Ballen gepresst, nicht so fest wie bei Futterheu, damit noch genügend Luft hineingelangt. So werden die Heuballen eingelagert und bei Bedarf in einem speziellen Ofen in Gas umgewandelt. Ein 200 Kilogramm schwerer Ballen liefere dabei so viel Energie wie knapp zehn Liter Erdöl, erklärt Goebel.

Seine Methode der Energiegewinnung sei konkurrenzfähig. Im Moment reichen 40 Hektar Wiese, um 4000 Quadratmeter des Betriebsgeländes im Vetschauer Ortsteil Göritz zu heizen. Es wäre vorstellbar, auch die Warmwasserversorgung und die Stromerzeugung mit Heu zu bewerkstelligen. Das möchte Goebel ausprobieren. Genug Flächen dafür stehen zur Verfügung. Nach der Dürre der vergangenen zwei Jahre, die zu einem Mangel an Futterheu geführt hat, wurde er jedoch gebeten, etwas von seinem Energieheu zu verkaufen. Er hat ausgeholfen. Zwar schmeckt das Energieheu dem Vieh nicht besonders. Zur Not werden die Tiere aber auch davon satt, allerdings nicht groß und stark, wie Goebel berichtet.

Auch andere Projekte gehen dem Landwirt im Kopf herum. Spätestens 2038, eventuell bereits 2035 sollen die Tagebaue in der Lausitz stillgelegt, die letzten Braunkohlekraftwerke vom Netz gegangen sein. Die Göritzer Agrar GmbH hätte Interesse, beim Strukturwandel mitzuhelfen. Ein Zauberwort lautet Wasserstofftechnologie. Goebel könnte sich vorstellen, daran mitzuforschen. Die Landmaschinen könnten mit diesem Kraftstoff der Zukunft fahren.

Seit fünf Jahren geht er noch einen anderen Weg: Er verkauft sein Gemüse nicht mehr an den Großhandel, sondern vertreibt es auf lokalen Wochenmärkten und in den zwei Hofläden. In Cottbus beispielsweise gibt es zunehmend junge Kunden, die bereit sind, für gutes Gemüse aus der Region einen fairen Preis zu bezahlen, freut sich Goebel. Das Geschäft mit dem Großhandel dagegen rentierte sich nicht mehr. Die komplette Umstellung auf den Direktvertrieb erfolgte schrittweise. »B-Ware im Hofladen verkaufen, funktioniert nicht«, ist Goebel klar geworden. Die Kunden merken doch, wenn sie im Discounter die beste Qualität billiger bekommen. Jetzt wird also nur noch so viel Gemüse angebaut, wie sich in den Hofläden und auf Wochenmärkten absetzen lässt. Das verkleinerte die Fläche für das Freilandgemüse von einst 75 auf nur noch sieben Hektar.

Insgesamt 1000 Hektar bewirtschaftet die Göritzer Agrar GmbH mit ihren 24 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus der Gegend. Sie sind fest angestellt. Auf Erntehelfer aus Polen oder Rumänien verzichtet der Chef. Mit der Reduzierung des arbeitsintensiven Gemüseanbaus ging ein Personalabbau einher. Stellen von Kollegen, die in Rente gingen, wurden nicht neu besetzt.

Am Nachmittag beginnt es in Vetschau zu regnen. Doch der Schauer ist schnell vorüber. Von tagelang anhaltendem Landregen keine Spur.

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