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Gesetzentwurf gegen Ausbeutung vorgelegt
Bundesarbeitsminister Heil will Werkverträge in der Schlachtindustrie verbieten und Branche stärker kontrollieren
»Wir müssen aufräumen, und wir werden aufräumen.« Mit diesen Worten kündigte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil vor wenigen Wochen Maßnahmen gegen die Ausbeutung in der Fleischindustrie an. Nun hat der SPD-Politiker einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die bekannten, miesen Arbeitsbedingungen in der Branche verbessern soll.
Medienberichten zufolge steht im Mittelpunkt des Entwurfs das Verbot von Werkverträgen und Subunternehmen im Kerngeschäft: Schlachten, Zerlegen und Verarbeiten. Künftig dürfen Inhaber von Fleischbetrieben demnach »in diesen Bereichen keine Selbstständigen tätig werden lassen«, wird der Entwurf zur Änderung des »Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft«, in verschiedenen Medien zitiert. Betriebe des Fleischerhandwerks mit bis zu 30 Beschäftigten seien ausgenommen. Zudem sieht der Entwurf schärfere Vorschriften für Gemeinschaftsunterkünfte von Beschäftigten und eine Mindestquote von jährlichen Vor-Ort-Kontrollen in den Betrieben vor. Zur Überwachung des Vollzugs soll eine neue Bundesfachstelle »Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit« eingerichtet werden. Die Arbeitszeit muss in der Fleischwirtschaft künftig zudem elektronisch aufgezeichnet werden, um Kontrollen zu erleichtern. Begründet wird die Änderung damit, dass trotz der Selbstverpflichtung, die die sechs größten Unternehmen der Branche 2016 unterschrieben hatten, »trotz Verschärfungen des Regelwerks und trotz verschärfter Kontrollen (...) keine nennenswerte Verbesserung der Arbeitsbedingungen feststellbar« sei.
Lange hat sich die Fleischindustrie geweigert, mehr als Lippenbekenntnisse gab es nicht. Auch nach den neuesten Corona-Ausbrüchen in Schlachthöfen argumentierte die Branche: Einzelunterkünfte seien zu teuer, ohnehin werde der Arbeitsschutz eingehalten. Zudem sei eine Abschaffung der Werkverträge allein in der Schlachtindustrie verfassungswidrig und verstoße gegen die unternehmerische Freiheit.
Ein Gutachten, das vom Gesundheitsministerium in Nordrhein-Westfalen in Auftrag gegeben wurde, kommt zu einem anderen Schluss. Ein nur auf die Fleischindustrie begrenztes Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit ist demnach rechtssicher. »Um drohende schwere Schäden für Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer in den Schlachthöfen abzuwenden«, dürfe der Gesetzgeber dort ein Direktanstellungsgebot aussprechen, heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten Gutachten des Rechtswissenschaftlers Olaf Deinert von der Universität Göttingen. Das sei sowohl verfassungs- als auch europarechtskonform. Deinert argumentiert: Die Gefährdung von Arbeitnehmerrechten durch Leiharbeitsnetzwerke sei aus anderen Branchen nicht in vergleichbarem Ausmaß bekannt. Deswegen sei es sogar geboten, hier mit besonderen rechtlichen Beschränkungen zu reagieren.
Die Zahlen sprächen für sich, praktisch seien in der Fleischindustrie »keinerlei eigene Arbeitnehmer in der Produktion beschäftigt«. Eine derart weitgehende Ausgliederung sei bislang aus keiner anderen Branche bekannt. »Der Einwand, die Firmen seien dann verstärkter Billigkonkurrenz aus dem Ausland ausgesetzt, verfängt nicht«, stellte er fest. »Konkurrenzdruck kann nicht die Verletzung geltenden Rechts rechtfertigen.«
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten bleibt skeptisch. Der Geschäftsführer in der Region Oldenburg/Ostfriesland, Matthias Brümmer, befürchtet, dass die Branche das System beibehalten wird, »nur unter einem anderen Namen«, sagte Brümmer. »Die Arbeiter werden dann nicht mehr über fremde Subunternehmen angestellt sein, sondern über Tochterfirmen. Alter Wein in neuen Schläuchen, die Ausbeutung wird bleiben.«
Auch Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann beobachtet bereits jetzt mit Sorge, dass in der Fleischindustrie Tochterunternehmen gegründet würden, offenbar in Vorbereitung auf das Verbot. Der CDU-Politiker sagte, die Schlachtbetriebe »sollten jetzt nicht nur gucken, wo sie die nächste juristische Lücke finden, sondern was auch die Akzeptanz der Gesellschaft erfährt«.
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