Gesünder ballern

In Berlin-Lankwitz entsteht für knapp 29 Millionen Euro ein neues Einsatztrainingszentrum der Polizei

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 3 Min.

»Gute Hauptstadtpolizei braucht gute Trainingsvoraussetzungen«, sagt Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Donnerstag beim Richtfest für das neue »hochmoderne« Einsatztrainingszentrum der Polizei im Steglitz-Zehlendorfer Ortsteil Lankwitz. Bis Herbst 2021 soll hier, auf dem Gelände der Polizeidirektion 4 zwischen Gallwitzallee und Malteserstraße, ein viergeschossiges Gebäude für ein, so Geisel, »professionelles Schießtraining« fertiggestellt werden.

Fast 29 Millionen Euro lässt sich das Land Berlin den 4000 Quadratmeter großen Neubau kosten. Im Keller soll eine Raumschießanlage mit vier 25-Meter-Schießbahnen einziehen, dazu sind Laserschießräume, Lehr-, Sport- und Trainingsräume sowie Übungsflächen auf dem Dach und im Treppenhaus geplant. Vorerst ist nur ein grauer Betonkasten aus Fertigteilen zu sehen. Gleichwohl betonen alle Beteiligten, dass das im September vergangenen Jahres gestartete Bauprojekt flott vorankommt.

Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik freut sich, dass »weder die Pandemie das Projekt verzögert hat noch die schwierigen Baubedingungen« - vor dem eigentlichen Bau musste erst noch ein unterirdisches Altgebäude mit Schießstand abgerissen und entsorgt werden. Slowik sagt mit Blick auf den Neubau: »Wenn Berlin dann loslegt, dann aber mit den höchsten Standards.« Auch Senator Geisel ist hocherfreut und appelliert an die anwesenden Bauarbeiter und Handwerker: »Bitte beeilen Sie sich, denn wir brauchen die Ergebnisse dringend.« Und Sven Lemiss, Geschäftsführer der für den Bau verantwortlichen landeseigenen BIM Berliner Immobilienmanagement, verspricht erwartungsgemäß, »dass wir alles dafür tun, dass das Bauvorhaben so sauber weitergeht wie bisher«.

Lemiss verweist in seiner kurzen Ansprache zugleich aber auch auf »das Schwerpunktthema Lüftung« bei dem Bauprojekt - und damit auf den eigentlichen Grund für das gesamte Vorhaben. Denn über Jahre hinweg trainierten Berliner Polizisten auf völlig maroden Schießständen. Wie 2015 öffentlich wurde, atmeten sie beim Training giftige schwermetallhaltige Pulverdämpfe ein, weil die Abluftanlagen nicht richtig funktionierten. Viele erkrankten, mehr als ein Dutzend sollen an den Folgen der vergifteten Luft gestorben sein. »Der medizinische Zusammenhang kann weder bewiesen noch widerlegt werden«, sagt Innensenator Geisel am Rande des Richtfests. Trotzdem seien bisher über einen Entschädigungsfonds drei Millionen Euro an die Betroffenen ausgezahlt worden.

Im Zuge der sogenannten Schießstandaffäre wurden zahlreiche Anlagen der Berliner Polizei dichtgemacht. Von ursprünglich 74 Schießbahnen für die über 17 000 Polizisten waren, so Geisel, zum Anfang der Legislaturperiode nur noch elf in Betrieb. Aktuell könne auf über 30 Bahnen trainiert werden, bis zum Herbst 2021 sollen es 45 werden. Neben einem kürzlich an der Charlottenburger Chaussee in Ruhleben eingeweihten Einsatzzentrum soll noch 2020 auch die Schießzentrale an der Cecilienstraße in Biesdorf fertiggestellt werden. »Wir haben die Situation in den letzten Jahren schon verbessert, aber es gibt noch viel zu tun«, sagt Geisel.

Der Umstand, dass es manchen Berlinern übel aufstoßen könnte, dass ausgerechnet jetzt ein Richtfest für eine Polizeischießanlage mit Sekt, Saft und Schüttelreimen des Vorarbeiters gefeiert wird, wird am Donnerstag freilich prominent ignoriert. Erst am vergangenen Wochenende waren in der Berliner Innenstadt rund 1500 Menschen auf die Straße gegangen, um gegen Polizeigewalt zu demonstrieren. Erinnert wurde dabei auch an den Tod von Maria B., die Anfang dieses Jahres in Friedrichshain von Polizisten in ihrer Wohnung erschossen wurde.

»Jeder Schusswaffengebrauch ist für die Beamten eine psychologische Ausnahmesituation«, betont Geisel am Donnerstag gegenüber »nd«. Das überhaupt geschossen werde , komme »vielleicht zwei-, dreimal im Jahr« vor. Geisel lässt denn auch nichts auf die Beamten kommen: »Die Ausbildung der Polizei Berlin ist großartig. Das ist in keiner Weise mit der in Amerika vergleichbar.« Genau diesem Zweck diene schließlich auch die fortan gesunde Schießausbildung in Lankwitz.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.