Unbegründete Razzia

Linke-Politiker wartet auf Einstellung von Ermittlungen

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Razzien gegen linke Projekte und Wohngemeinschaften am 2. Juli in mehreren Städten Baden-Württembergs haben Nachwehen. Die Durchsuchungen waren mit Ermittlungen wegen schwerer Körperverletzung im Rahmen des Angriffs auf eine Gruppe von Rechten am 16. Mai begründet worden. Doch schon bald fragten sich nicht wenige, ob mit der Razzia nicht generell die linke Szene im Südwesten durchleuchtet werden sollte. Zumindest einer der von der Razzia Betroffenen war nachweislich am 16. Mai nicht in Stuttgart, sondern beteiligte sich in einem Ort 30 Kilometer weiter an einer Antifa-Demonstration. Das kann er durch ein Foto beweisen.

Der Beschuldigte arbeitet im Büro des Linke-Bundestagsabgeordneten Tobias Pflüger, der zusammen mit ihm Beschwerde gegen die Razzia einlegte. Die Polizei habe sich zwar schon vor einer Woche dazu bereit erklärt, die Ermittlungen einzustellen, erklärte Tobias Pflüger gegenüber »nd«. Aber bis jetzt sei das noch nicht geschehen. Abenteuerlich sei hingegen die Behauptung, zuvor müsse erst die Beschwerde des Beschuldigten gegen die Razzia abgearbeitet werden, sagte Pflüger und kritisierte darüber hinaus, sein Mitarbeiter habe seine bei der Polizeiaktion beschlagnahmen Datenträger noch nicht zurückbekommen. Die Polizei behauptet indes, er habe sich deshalb noch nicht gemeldet.

Doch Pflüger widerspricht: »Mein Mitarbeiter wollte die beschlagnahmten Gegenstände zweimal abholen. Ihm wurde aber beide Male gesagt, dass dies zu diesem Zeitpunkt nicht möglich sei.« Die Datenträger sind nicht zuletzt deshalb brisant, weil sich darauf auch Ergebnisse von Recherchen befinden, die er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter von Pflüger tätigte.

Darin geht es um die Verbindungen des Kommandos Spezialkräfte (KSK) ins rechte Milieu, die in den letzten Wochen bundesweit für Schlagzeilen sorgten. »Die Ermittlungsbehörden haben mir zugesichert, dass die beschlagnahmten Materialen meines Mitarbeiters nicht durchsucht werden«, erklärte Pflüger. Daher ist es für ihn umso unverständlicher, dass die Rückgabe weiter verzögert wird.

Auch das linke Tübinger Hausprojekt »Lu15«, in dem der Mann wohnt, übt in einer aktuellen Pressemeldung heftige Kritik an den Ermittlungsbehörden und stellt sich hinter seinen Bewohner. Außerdem kritisieren sie, dass eine Brandschutztür, die von der Polizei bei der Razzia zerstört wurde, bis heute nicht ersetzt worden sei.

Schon Anfang Februar 2020 war bei einer Polizeirazzia in der »Lu15« eine Tür stark beschädigt worden. Damals war eine antirassistische Sprühaktion Grund für die Durchsuchung. Die »Lu15«-Bewohner*innen stellen die Razzia in den Rahmen einer generellen Kritik am Agieren der Polizei. Sie erklärten: »Mediale Berichte über Racial Profiling, Einschüchterungsversuche und Morddrohungen sind mittlerweile alltäglich. Für uns stellt sich die Frage: ›Wer bewacht eigentlich die Wächter?‹«

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