Studenten zur Kasse
Schottland führt wegen Brexits Studiengebühren für EU-Bürger ein
Seit 2008 wurden die Gebühren für EU-Bürger, die einen Bachelorstudiengang oder ein schottisches Masterstudium, vergleichbar mit den alten Diplomstudien in Deutschland und Österreich, absolvierten, durch die »Student Award Agency for Scotland« (SAAS) bezahlt. Für sie galt damit dieselbe Regelung wie für schottische Studenten. Hochschüler aus anderen Teilen Großbritanniens müssen in Schottland Gebühren von bis zu 10 200 Euro pro Studienjahr bezahlen, Nicht-EU-Bürger oft mehr als das Doppelte. Je nach Uni variieren die Studiengebühren stark.
Wissenschaftsminister Richard Lochhead von der Schottischen Nationalpartei erklärte nun, dass es nach dem Ende der Brexit-Übergangsfrist am 31. Dezember keine rechtliche Grundlage mehr dafür gibt, eine Sonderregelung für EU-Bürger beizubehalten: »Das Ende dieser Regelung ist ein Resultat dessen, dass Schottland gegen seinen Willen aus der EU gedrängt wird.« Studenten aus der EU, die ab der Periode 2021/22 in Schottland ein Studium aufnehmen, müssen zahlen. Bisher galt das nur für jene, die dort einen Master erwerben oder ein Doktorat abschließen.
Wie hoch genau die Studiengebühren sein werden ist noch unklar. Zu befürchten ist aber, dass EU-Bürger in Zukunft in die Kategorie »internationale Studierende« fallen. Diese zahlen derzeit im Bachelorniveau jährlich zwischen 11 000 und 29 000, auf einem höheren 16 500 bis 33 000 Euro.
Die bisherige Regelung zog viele EU-Bürger an schottische Universitäten mit hohem Prestige wie Glasgow, Edinburgh oder Aberdeen sowie St. Andrews, der neben Oxford und Cambridge besten Universität Großbritanniens. Die offizielle Statistik weist für das Studienjahr 2018/19 insgesamt 21 505 Studenten aus der EU auf - 14 735 davon waren im Bachelorlevel und mussten keine Gebühren zahlen. EU-Bürger machen etwa zehn Prozent aller in Schottland Studierenden aus.
21 Millionen Euro hatte die schottische Regierung für die SAAS-Agentur im Jahr 2012 eingeplant, um Unigebühren der EU-Studenten zu begleichen. Dieses Geld soll nun, so Lochhead, in anderen Bereichen eingesetzt werden, um die finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Hochschulwesen abzufedern. Die Entscheidung wird auch für Deutschland spürbar sein. Mit 2830 Studenten aus der Bundesrepublik hatten diese zuletzt den höchsten Anteil an den Hochschülern aus EU-Staaten in Schottland.
Viele internationale Studenten werden mim nach dem Brexit Schottland meiden. Bereits in diesem Herbst sind es 9500 weniger. In einer Umfrage des Info-Portals zu Studienplätzen Study.EU unter 2500 Studierenden aus der EU erklärten 84 Prozent, nicht in England oder Schottland studieren zu wollen, falls sich die Gebühren dort auf das Niveau von Nicht-EU-Bürgern erhöhen. Im Schnitt sind diese 75 bis 125 Prozent höher als die für einheimische Studierende. Von der Entwicklung profitieren könnten EU-Länder wie die Niederlande. Fast die Hälfte der Befragten plant, dort zu studieren, 26 Prozent wollen sich in Deutschland bewerben.
Die Regierung Zyperns hat angekündigt, ein bilaterales Abkommen zu verhandeln, um hohe Gebühren für Studenten aus ihrem Land zu verhindern. Für Iren gilt die Änderung nicht, hier gilt eine Sonderregelung weiter, nach der irische Studenten wie einheimische behandelt werden.
Der Vorsitzende der Nationalen Union der Studenten NUS in Schottland Matt Crilly kritisiert: »Höhere Gebühren für mehr Studenten sind enttäuschend. Es muss ein Hochschulsystem geben, dass öffentlich finanziert wird und nicht durch Beiträge der Studenten.« Der Brexit wird die schottische Wissenschaftslandschaft in vielen Bereichen verändern. Unklar ist, ob Großbritannien insgesamt weiterhin am EU-Forschungsprogramm Horizon und dem Erasmus-Förderprogramm für Studenten und Lehrkräfte teilnimmt. Der schottische Wissenschaftsminister Lochhead zeigt sich wenig optimistisch: »Junge Schotten werden nicht mehr dieselben Möglichkeiten haben, wie vorangegangene Generationen.«
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!