Der Traum rückt weiter in die Ferne

Wegen des teuren Speckgürtels kosten Eigenheime auch in berlinfernen Regionen deutlich mehr als früher

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

Seit 2015 haben sich die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser im berlinfernen Bereich des Landes Brandenburg mehr als verdoppelt. Allein die Hälfte dieser Preissteigerung spielte sich im vergangenen Jahr ab. Damit steht dieses Segment an der Spitze der Verteuerung im am Dienstag in Potsdam vorgelegten Grundstücksmarktbericht für 2019. Einen von mehreren Gründen für die Verteuerung benennt Jürgen Kuse, Vorsitzender des Oberen Gutachterausschusses, auch gleich: »Der Erstverkauf geht steil nach oben.« Will sagen: Es sind sehr viele Neubauten auf den Markt gekommen, die per se ein höheres Preisniveau haben.

Dabei handelt es sich schlussendlich jedoch um eine Ausweichbewegung aufgrund der in den letzten Jahren stark gestiegenen Bodenpreise im direkten Berliner Umland. »Wir sehen eine Wanderung in die zweite Reihe bei Budgetkäufen«, erläutert Kuse. Wer sich also im Speckgürtel kein Haus mehr leisten kann, schaut sich eben weiter draußen um. »Eine Abwägung zwischen dem Weg zum Arbeitsplatz, dem Budget und der erwarteten Situation am Arbeitsplatz«, nennt der Oberste Gutachter Brandenburgs das. Spekulative Gründe für den Preisanstieg sieht er in diesem Segment nicht. »In aller Regel wohnt der Käufer ja auch in dem Eigenheim und vermietet es nicht«, so Kuse.

Interventionen wegen der Preisentwicklung plant die Landesregierung gleichwohl nicht. »Letztlich ist die Lage nicht anders als woanders in Deutschland«, sagt Klaus Kandt (CDU), Staatssekretär für Inneres und Kommunales. »Ich komme aus dem Stuttgarter Raum und meine Verwandtschaft muss sich auch nach der Decke strecken und muss halt dann weiter rausziehen.« Das sei nun einmal »Marktwirtschaft«, erklärt er.

2019 wechselten Liegenschaften im Wert von 7,05 Milliarden den Besitzer. Ein Rekordwert, der in ähnlicher Höhe zuletzt 1996 erreicht worden ist. Im Vergleich zu 2018 stieg der Umsatz um reichlich eine halbe Milliarde Euro. Die Zahl der Kaufverträge ging im Jahresvergleich zurück, ebenso die Größe der Flächen. Rund 33 000 Hektar wurden veräußert - etwa sieben Prozent weniger als im Vorjahr; 34 252 Kaufverträge wurden unterschrieben, 2018 waren es 34 643.

Besonders deutlich sind zudem die Preise für Eigentumswohnungen gestiegen. Im Berliner Umland - ohne Potsdam - kostete der Quadratmeter im Neubau fast 3600 Euro, fast ein Sechstel mehr als im Vorjahr. Im weiteren Metropolenraum bewegten sich die Preise zwischen rund 2500 und knapp 2800 Euro. Das alles ist deutlich günstiger als in Berlin. In Potsdam allerdings wurden fast 5200 Euro pro Quadratmeter fällig, nur wenig günstiger war es in Blankenfelde-Mahlow (Teltow-Fäming)und Wustermark (Havelland).

Und natürlich steigen auch die Preise für den Geschosswohnungsbau. In Potsdam haben sie sich beispielsweise seit 2010 fast vervierfacht, in Brandenburg/Havel blieben sie lange konstant, seit 2016 stiegen sie jedoch um ein Viertel. Ein Hotspot beim Neubau von Miet- und Eigentumswohnungen ist die Gemeinde Schönefeld, die die Zahlen für den ganzen Kreis Dahme-Spreewald nach oben zieht. Für 331 Millionen Euro wechselte dort 2019 Bauland den Besitzer, fast ein Viertel des Umsatzes in der ganzen Mark.

Beunruhigend scheint für die Landesregierung aus SPD, CDU und Grünen allerdings die Entwicklung beim Agrarland zu sein. Es verteuerte sich gegenüber 2018 um fünf Prozent. »Es besteht die Besorgnis, dass die Preise nicht in Übereinstimmung mit dem langfristigen Ertrag aus der Landwirtschaft zu bringen sind«, sagt Staatssekretär Kandt.

Für einen Quadratmeter mussten 1,06 Euro gezahlt werden, nachdem der Preis im Jahr zuvor erstmals seit mehr als zehn Jahren leicht auf einen Euro gesunken war. Im Vergleich zu 2010 kostete Ackerland im vergangenen Jahr fast das Dreifache, Forstflächen mehr als das Doppelte, Grünland knapp zweimal so viel. Die Preise hängen dabei auch mit der regional sehr unterschiedlichen Bodenqualität zusammen. In der fruchtbaren Uckermark etwa wurden im Mittel zwei Euro pro Quadratmeter verlangt, mehr als das Doppelte des Landesdurchschnitts.

»Wir erfassen das, soweit wir das erkennen können, ob Landwirte kaufen«, erklärt Gutachter Jürgen Kuse. »Inwieweit Investoren am Markt sind, können wir nur bedingt beantworten.« Denn die sogenannten Share Deals, bei denen formal Firmenanteile und keine Grundstücke den Besitzer wechseln, bekommt sein Ausschuss nicht zu Gesicht. Auf Grundlage eines Landtagsbeschlusses vom Januar hat das Landwirtschaftsministerium mit der Erarbeitung eines »agrarstrukturellen Leitbilds« begonnen. Genau dieses Leitbild könnte schließlich die Basis für ein neues Bodenmarktrecht in Brandenburg werden.

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