Opposition befragt Scholz und Altmaier in Sondersitzung zu Wirecard-Skandal

De Masi (Linke): Bafin-Chef Hufeld muss zurücktreten / FDP-Abgeordneter Toncar fordert Einsetzung von Untersuchungsausschuss

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Im Vorfeld einer Sondersitzung des Bundestags-Finanzausschusses zum Wirecard-Bilanzskandal an diesem Mittwoch hat die Opposition von der Bundesregierung umfassende Aufklärung verlangt. »Die Hinhalte- und Verschleierungstaktik werden wir nicht länger hinnehmen«, warnte die Ausschussvorsitzende Katja Hessel (FDP). In der Sitzung sollen Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ihr Vorgehen bei dem insolventen Finanzdienstleister darlegen.

Die Opposition wirft der Bundesregierung schwere Versäumnisse vor. Der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Florian Toncar, verlangt bereits die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses: »Man kann eine Affäre dieser Größe und Tragweite nicht in einer Sondersitzung des Finanzausschusses aufklären«, sagte er der »Rhein-Neckar-Zeitung«.

Besonders Scholz steht unter Druck. Er war bereits im Februar 2019 über Ermittlungen der Finanzaufsichtsbehörde Bafin gegen Wirecard informiert worden. Sie erwarte vom Finanzminister, dass er sich »nicht wegduckt, sondern eine transparente Aufklärungsarbeit leistet«, sagte Hessel den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Ihr Fraktionskollege Toncar sagte, die Versäumnisse seien »vor allem Olaf Scholz anzulasten«. Es sei inzwischen bekannt, dass Wirecard »sehr gute Kontakte« in das Bundesfinanzministerium gehabt habe.

Altmaier wiederum muss in der Ausschusssitzung mit bohrenden Fragen zum Versagen der Prüfgesellschaften bei Wirecard rechnen. Der Minister müsse erklären, welche Konsequenzen er daraus ziehe, dass Ernst & Young jahrelang Wirecard überprüft habe, »ohne auch nur den leisesten Verdacht zu schöpfen«, sagte Hessel.

Auch die Grünen-Obfrau im Finanzausschuss, Lisa Paus, appellierte an Scholz und Altmaier, »volle Transparenz« zu schaffen. »Die Versäumnisse der Minister und die Verstrickungen hochrangiger Beamter« müssten vollständig aufgearbeitet werden, sagte sie den Funke-Zeitungen.

Wirecard hatte Ende Juni Insolvenz angemeldet. Zuvor hatte das Unternehmen einräumen müssen, dass in der Bilanz aufgeführte Gelder von 1,9 Milliarden Euro, die vermeintlich auf asiatischen Bankkonten lagern sollten, nicht auffindbar seien. Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt in dem Fall. Sie geht von gewerbsmäßigen Bandenbetrug aus.

Zuletzt war der Skandal auch deutlich näher an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) herangerückt. Das Kanzleramt hatte sich bei einer China-Reise Merkels im September 2019 für Wirecard eingesetzt. Doch zuvor hatte das Bundesfinanzministerium auf Anfrage des Kanzleramts darüber informiert, dass das Unternehmen schon in den Fokus diverser Aufsichtsbehörden gerückt war. Trotz des Drängens der Opposition ist bei der Sitzung am Mittwoch kein Vertreter des Kanzleramts dabei.

Unter Druck steht in dem Skandal auch Bafin-Chef Felix Hufeld. Laut einem Bericht des »Spiegel« soll er Bundestagsabgeordnete falsch über die Rolle seiner Behörde informiert haben. Dem Magazin zufolge räumte die Bafin inzwischen ein, falsche Auskunft erteilt zu haben.

Konkret geht es um die Sitzung des Finanzausschusses am 1. Juli, bei der Hufeld dem Vorwurf widersprochen hatte, seine Behörde sei Hinweisen auf Marktmanipulationen von Wirecard im Ausland nicht ordentlich nachgegangen. Laut Sitzungsprotokoll der nicht-öffentlichen Anhörung hatte Hufeld gesagt, die Bafin habe die örtliche Aufsichtsbehörde in Singapur »unmittelbar nach dem Vorliegen konkreter Hinweise kontaktiert«. Diese habe an die Polizei verwiesen, an die sich die Bafin auch gewandt habe. Es werde »bis heute auf eine Antwort« gewartet, sagte Hufeld demnach.

Laut »Spiegel« teilte die Bankenaufsicht MAS in Singapur jedoch mit, sie und die Polizei hätten »relevante vorhandene Informationen« mit den deutschen Kollegen geteilt. Eine Bafin-Sprecherin räumte auf Anfrage des Magazins ein, dass die MAS und die Strafverfolgungsbehörde Singapurs der Bafin Informationen über Wirecard übermittelt habe. Der Abgeordnete Fabio De Masi von der Linken, der bei der Sitzung mit Hufeld dabei gewesen war, forderte dessen Rücktritt. AFP/nd

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -