Viel wissen, nichts preisgeben
Beim Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern sollen Informationen zum umstrittenen Verein Uniter versickert sein
Kaum eine Einrichtung in der Bundesrepublik stand in den vergangenen Jahren derart kontinuierlich in der Kritik wie der Verfassungsschutz. Von seiner dubiosen Rolle im NSU-Komplex über das Agieren im Fall des islamistischen Attentäters Anis Amri bis hin zur Kritik am ehemaligen Bundesamtschef Hans-Georg Maaßen - um hier nur die wohl bekanntesten Fälle aufzuführen. Gegliedert in Bundesamt (BfV) und die Ämter der Bundesländer, ist es laut Paragraf 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes die Aufgabe des Inlandsgeheimdienstes, Informationen etwa über »Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind«, zu sammeln.
Weniger häufig als das Sammeln von Erkenntnissen steht das in der Kritik, was der Verfassungsschutz mit den Informationen anstellt, die er zusammenträgt oder die ihm zufließen. Oder was er damit eben nicht tut. Weitergeben zum Beispiel, an die zuständigen parlamentarischen Ausschüsse etwa. Im neuesten Fall, den die »Tageszeitung« (Taz) recherchiert hat, geht es um Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern über den mittlerweile vom Bundesamt als »Verdachtsfall« geführten Verein Uniter. Der Zusammenschluss, der laut Vereinshomepage »zunächst als Zusammenschluss von aktiven oder ehemaligen Angehörigen von Spezialeinheiten aus Bund, Ländern und der Polizei entstand«, habe heute auch Mitglieder aus »Wissenschaft, dem privaten Sicherheitsbereich als auch unter Ärzten, Anwälten, Handwerkern oder im Sport«. In die Diskussion geriet Uniter immer wieder im Zusammenhang mit rechtsextremen Netzwerken und Bestrebungen. Im Februar dieses Jahres war Uniter vom BfV zunächst als »Prüffall« ein- und im Juni zum »Verdachtsfall« hochgestuft worden.
Wie die Taz berichtet, sollen dem Landesamt im Nordosten bereits im Jahr 2018 brisante und ausführliche Erkenntnisse zu Uniter und einzelnen Mitgliedern vorgelegen haben. Diese stammten von einem ehemaligen Uniter-Mitglied, der sich an den Verfassungsschutz gewandt und diesen mit Informationen versorgt haben soll. Allerdings sei mit diesen Informationen nichts weiter passiert. Die Taz zitiert den Informanten: »Ich habe mich an das Landesamt für Verfassungsschutz gewandt.« Er habe dort einen Stick mit Daten abgegeben. Doch: »Keinen hat es interessiert.«
In dem Zeitraum, in dem der Informant im Kontakt mit dem Verfassungsschutz steht, förderten schließlich Medienrecherchen nach und nach immer mehr Details zu rechtsextremen Verbindungen, Aktionen und Mitgliedern von Uniter ans Tageslicht - Informationen, die der Insider dem Geheimdienst wohl bereits geliefert hatte.
Höchst interessant findet die Aussagen des Informanten laut Taz auch der SPD-Landtagsabgeordnete Dirk Friedriszik, der Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums ist, und laut dem Bericht bei einem Treffen mit dem ehemaligen Uniter-Mitglied eine Fülle von Fragen an ihn hatte - und darauf auch Antworten bekam. Anders als nach eigener Aussage vom Verfassungsschutz. Das Innenministerium in Schwerin, in dem das Landesamt für Verfassungsschutz angesiedelt ist, wiederum wird in dem Bericht mit der Aussage zitiert: »Sie können davon ausgehen, dass den parlamentarischen Unterrichtungsverpflichtungen nachgekommen wird.«
Dies bezweifelt Peter Ritter, innenpolitischer der Linksfraktion im Landtag: »Die Behörde selbst zeigt sich wie immer empört und lässt wissen, dass man davon ausgehen könne, dass der parlamentarischen Unterrichtungspflicht nachgekommen wird. Diese Erklärungen hörten wir beim NSU oder bei Nordkreuz oder beim Fall Amri.« Selbst wenn in der Parlamentarischen Kontrollkommission berichtet worden sei, müsse bezweifelt werden, ob dies in vollem Umfang geschehen sei. Friedriszik sei zuzustimmen, »wenn er feststellt, dass der Verfassungsschutz offensichtlich viel weiß, aber nichts passiert«. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) und die SPD-Fraktion sollten sich allerdings endlich fragen, »wie lange sie diese Zustände im Verfassungsschutz des Landes noch dulden wollen«, so Ritter.
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