Gefährliche Werbung

Beschwerde gegen Hausdurchsuchung nach Adbusting eines Bundeswehr-Plakats eingereicht

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 4 Min.
Frida Henkel und das verfremdete Plakat, mit dem sie ihre Meinung zur Bundeswehr kundtat.
Frida Henkel und das verfremdete Plakat, mit dem sie ihre Meinung zur Bundeswehr kundtat.

Der Sachschaden liegt bei unter fünf Euro. Wenn man überhaupt von Sachschaden sprechen kann, schließlich wurde eigentlich nichts beschädigt. Das ursprüngliche Werbeplakat hängt noch da, es wurde lediglich ein anderes, leicht verfremdetes, darüber gehängt. Auch der Glaskasten, in den Frida Henkel die Protestkunst geschmuggelt hat, ist noch heile. Trotzdem steht plötzlich in den frühen Morgenstunden die Polizei vor der Tür und durchsucht ihr Elternhaus. »Dabei ging es nicht um das vermeintlich entwendete Papier, sondern darum, was auf dem Papier stand«, ist sich die 24-Jährige sicher. »Die Durchsuchung hat mein Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung und auf Meinungsfreiheit verletzt«, sagt Henkel, die nun Beschwerde gegen die in ihren Augen unverhältnismäßigen Ermittlungsmaßnahmen eingereicht hat.

Was ist passiert? Im Mai vergangenen Jahres wird Frida Henkel beim Aufhängen eines verfremdeten Bundeswehrplakats erwischt. Die ursprüngliche Aufschrift »Geht Dienst an der Waffe auch ohne Waffe?« hatte sie durch den Spruch »Kein Dienst an der Waffe geht ohne Waffe!« ersetzt, ansonsten glich das Poster optisch dem Original. Mit einem einfachen Sechskantschlüssel öffnete sie eine Werbevitrine und tauschte die Plakate kurzerhand aus.

Henkel fand die Werbung »scheinheilig«, begründet sie die Aktion gegenüber dem »nd«. Gemeinsam mit einigen Unterstützerinnen hängt sie am Mittwoch das verfremdete Plakat erneut auf, dieses Mal an der Bushaltestelle vor dem Landgericht Berlin in Moabit. »So eine zynische Frage zu stellen, ist echt unfassbar«, findet die junge Frau. Für sie ist die Werbung eine Verharmlosung des Militärs, bei dem der Waffengebrauch eben dazugehört. Besonders bei jungen Menschen, die auf der Suche nach beruflicher Orientierung sind, sei diese Anwerbung unter Vorspiegelung falscher Tatsachen problematisch. »Wer keinen Dienst an der Waffe leisten will, soll ein soziales Jahr machen«, sagt Henkel.

Der Polizeiliche Staatsschutz beim Landeskriminalamt (LKA), der in der Sache ermittelte, bewertete die pazifistische Intervention als »schweren Diebstahl« und begründete die Hausdurchsuchungen damit, dass das Abusting die Bundeswehr »gar lächerlich« gemacht habe. »Dass ›die Bundeswehr lächerlich machen‹ ein Straftatbestand ist, wäre mir neu«, sagt Frida Henkel. Das sah das Gericht wohl genauso: Ende letzten Jahres wurde das Verfahren gegen sie wegen Geringfügigkeit eingestellt. Was bleibt, ist eine Mischung aus Erleichterung und Empörung: »Wenn es so geringfügig ist, wieso darf dann meine Wohnung durchsucht werden?«

»Es handelt sich hier um ein strukturelles Versagen der Justiz«, sagt Rechtsanwalt Fadi El-Gazi, der Henkel unterstützt. Es habe hier kein Straftatbestand vorgelegen, der einen derartig schwerwiegenden Eingriff rechtfertige. Für El-Gazi, der auch Initiator des Volksbegehrens »Berlin Werbefrei« ist, sind die Anschuldigungen ein »Vorwand, um Kritik zu unterbinden, insbesondere an öffentlichen Institutionen wie Polizei und Bundeswehr«. El-Gazi erlebt in seiner Arbeit viele solcher Fälle. Auffällig ist, dass trotz geringen oder nicht vorhandenen Schadens bei Adbusting aufwendig ermittelt wird. Beim bundesweit ersten Prozess wegen Adbustings gegen die Gruppe »Dies Irae« im vergangenen Oktober waren es insgesamt vier Jahre (»nd« berichtete). Bisher wurden alle Verfahren eingestellt, eine juristische Entscheidung, ob Adbusting nun strafbar ist, oder durch das Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt, steht damit weiter aus.

Frida Henkel und Fadi El-Gazi wollen gegen die in ihren Augen »rechtswidrigen und unverhältnismäßigen« Hausdurchsuchungen notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, sollte ihre Beschwerde abgewiesen werden. Unterstützt werden sie dabei von der Gruppe »Plakativ«, die seit einigen Jahren ein unverhältnismäßig rigides Vorgehen der Behörden gegen diese Form der künstlerischen Intervention im öffentlichen Raum beobachtet. So seien bei Adbusting-Aktionen zum Tag der Bundeswehr in Berlin DNA-Spuren und Fingerabdrücke genommen worden, berichtet ein »Plakativ«-Sprecher – bei Delikten, die sich im Bagatellbereich bewegen, ein höchst ungewöhnlicher Vorgang. Insbesondere da die rot-rot-grüne Landesregierung Adbusting als »minderschwere Kriminalität« einordnet, wie aus einer Antwort der Senatsinnenverwaltung auf eine Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Niklas Schrader (Linke) hervorgeht.

Andere Behörden scheinen in der Kommunikationsguerilla jedoch unbedingt eine ernste Gefahr für den Staat erkennen zu wollen. So wurden polizeikritische Adbustings 2018 im Verfassungsschutzbericht erwähnt und dem Bereich »Gewaltorientierter Linksextremismus« zugeordnet. »Die Kritik an der Polizei wurde dabei mit Gewalt gegen Polizisten gleichgesetzt«, kritisiert der »Plakativ«-Sprecher. Was das für die Meinungsfreiheit bedeutet, kann man sich vorstellen. Auch das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum GETZ und der Militärische Abwehrdienst MAD sammeln Fälle von Adbusting. Frida Henkel und ihre Mitstreiter*innen können das nicht verstehen. »Bundeswehr lächerlich machen ist keine Staatswohlgefährdung!«, schreiben sie am Mittwoch auf das Plakat an der Bushaltestelle. Ob sie dafür auch eine Hausdurchsuchung bekommen werden?

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.