Verhinderte Erfolgsgeschichte

Nach massiver Kritik an bekannter Muslimin legt das Auswärtige Amt Religionsprojekt auf Eis

  • Fabian Goldmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Als ein Mitarbeiter des Auswärtigen Amts vergangene Woche via Twitter die neue Personalie in seinem Team bekannt gab, hatte die Nachricht kurz das Zeug für eine Erfolgsgeschichte über die Teilhabe von Musliminnen in Deutschland: Mit Nurhan Soykan berief das Ministerium nicht nur die Generalsekretärin des »Zentralrats der Muslime«, sondern eben auch eine kopftuchtragende Muslimin in seine Abteilung »Religion und Außenpolitik«. »Diese Entscheidung findet in unserer Community und bei unseren Mitgliedern großen Anklang«, freute sich unter anderem Burhan Kesici, Sprecher des Koordinationsrates der Muslime (KRM), der die größten islamischen Organisationen in Deutschland vertritt.

Außerhalb der »Community« war der Anklag hingegen weniger groß. Die Freude über die Berufung Nurhan Soykans hatte kaum Fahrt aufgenommen, da folgte schon der Backlash. Von einem »regierungsamtlichen Kotau vor dem Islam«, tweetete AfD-Vize Beatrix von Storch. »Warum holt Heiko Maas Graue Wölfe in das Auswärtige Amt?«, fragt der rechtskonservative Blog »Tichys Einblick«. Im »Tagesspiegel« konnte man lesen, Soykan habe die israelfeindlichen Al-Quds-Demonstrationen verteidigt. Und die »Jerusalem Post« titelte sogar: »Deutsches Ministerium stellt Islamistin ein, die die Zerstörung Israels verteidigt.«

Das Problem an der Sache: Kaum einer der Vorwürfe gegen Nurhan Soykan hält einem Faktencheck stand. So bezieht sich der Vorwurf, bei Soykan handle es sich um ein Mitglied der rechtsextremen »Grauen Wölfe« auf den jüngsten Verfassungsschutzbericht. In diesem war der Islamverband Atib der türkisch-nationalistischen Bewegung zugerechnet worden. Soykan ist allerdings nie Atib-Mitglied gewesen.

Auch für den Vorwurf, Soykan habe die Zerstörung Israels verteidigt oder die jährlich stattfindenden Al-Quds-Demos unterstützt, findet sich kein Beleg. In einem Interview mit Deutschlandradio Kultur aus dem Jahr 2014 auf Demonstrationen gegen Israel angesprochen, distanziert sie sich von Beleidigungen und Angriffen auf Juden und äußert ihre Hoffnung, dass die Proteste friedlich ablaufen werden. An einer Stelle antwortet Soykan, man müsse »vor allem den Jugendlichen und den jungen Leuten in Deutschland, die sich auf diesem Weg der Demonstration Luft machen wollen und ihren Ärger auch mal zeigen wollen (…) auch die Möglichkeit geben, das äußern zu können.« Doch diese Äußerung bezieht sich gar nicht auf den Al-Quds-Tag, sondern auf Demonstrationen gegen den damals stattfinden Krieg Israels in Gaza am Tag darauf. Eine Aussage, die sich in irgendeiner Weise als Relativierung des Existenzrechts Israels verstehen lässt, finden sich nirgends.

Auch Soykans sonstige Vita vermittelt nicht den Eindruck, man habe es hier mit einer Islamistin zu tun. Im Gegenteil. Die Biografie der Kölner Rechtsanwältin liest sich eher wie das Musterbeispiel einer ehrenamtlich engagierten Demokratin: Mitglied der Deutschen Islamkonferenz, Mitglied in der interreligiösen »Arbeitsgemeinschaft Religion und Integration« (ARI) des Landes NRW, Sprecherin des »Koordinationsrats der Muslime«, Generalsekretärin des »Zentralrats der Muslime«. Im männerlastigen Umfeld islamischer Interessenvertretung gehört sie zu den wenigen Frauen in einer wichtigen Position. In Interviews, Pressemittlungen und auf Podien warnt sie vor Salafisten und verurteilt islamistische Terroranschläge ebenso wie zunehmende Islamfeindlichkeit. In der aktuellen Debatte um ihre Person kam Nurhan Soykan selbst leider bisher nirgends zu Wort. Auch auf nd-Anfrage war sie nicht zu erreichen.

Dafür hat sich das Auswärtige Amt, das sich zunächst nicht zu den Angriffen auf seine designierte Beraterin geäußert hatte, nach der anhaltenden Kritik Soykan mittlerweile dafür entschieden, die Arbeit am Projekt »Religion und Außenpolitik« vorerst »ruhen« zu lassen, wie ein Sprecher am Mittwoch in Berlin erklärte.

Das Auswärtige Amt wolle zunächst in einen »intensiven Beratungsprozess« mit religiösen Verbänden, Vereinen und anderen Gesprächspartnern eintreten. Ziel des Prozesses sei es, »das Projekt so auszugestalten, dass es breite Unterstützung von denjenigen in Politik und Gesellschaft erhält, die wir für diese Arbeit brauchen«, sagte der Sprecher. »Die Kritik an dem Projekt zu ›Religion und Außenpolitik‹ nehmen wir sehr ernst.«

Mit dem Projekt »Religion und Außenpolitik« suchte das Auswärtige Amt nach Angaben des Sprechers Kontakt zu den Religionsgemeinschaften der Welt. Ziel war es, »den Einfluss dieser Religionsgemeinschaften besser zu verstehen und das konstruktive Potenzial zu stärken.« Dafür wollte es »durch Kontakt mit Vertretern verschiedener Religionen die eigene Kompetenz in diesem Feld stärken«. Die Abteilung »Religion und Außenpolitik« war vor zwei Jahren gegründet worden. Teil des Teams waren bis zur aktuellen Pausierung neben der Rabbinatsstudent Max Feldhake und der evangelische Pastor Peter Jörgensen. Mit Agenturen

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