Mehr als Spargelretter
Die Situation der Erntehelfer in Deutschland bleibt prekär.
Rund 285 000 Saisonkräfte schuften jährlich auf deutschen Äckern. Zehn bis zwölf Stunden täglich ernten sie teilweise im Akkord Gurken, Kohl, Erdbeeren oder Spargel. Seit 2018 bekommen sie dafür immerhin den Mindestlohn - aktuell liegt der bei 9,35 Euro brutto. Allerdings bekommen Erntehelfer*innen ihre Stunden meist nicht komplett ausgezahlt. So gibt es Abzüge für Unterbringung und Verpflegung. Michael Baumgarten vom gewerkschaftsnahen Peco-Institut geht in der Regel von 7,50 Euro aus, »aber wir haben auch schon Arbeiter*innen erlebt, die bei vier Euro pro Stunde rausgekommen sind«. Zwar gebe es auch Betriebe, die sehr gut zahlen, das sei jedoch »eine absolute Ausnahme«.
Zudem entfällt bei Erntehelfer*innen die Sozialversicherung, wenn sie nicht mehr als 70 Tage im Jahr arbeiten. Letztere Regelung wurde im Zuge der Mindestlohndebatte zunächst befristet, dann dauerhaft von 50 auf 70 Tage im Jahr ausgeweitet. Ein Erfolg des Deutschen Bauernverbandes, der den Mindestlohn in der Branche vehement bekämpft hatte.
Als zu Beginn der Coronakrise die Grenzen geschlossen wurden, zeigte sich die Abhängigkeit der Landwirtschaft in Deutschland von Saisonkräften aus Rumänien, Polen und Bulgarien deutlich. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) erwirkte schnell Einreisegenehmigungen, um die Ernten zu retten. Das höhere Risiko, sich aktuell in Gemeinschaftsunterkünften, wenigen Sanitärräumen oder auf Fahrten zu den Feldern mit dem Coronavirus zu infizieren, wurde dabei bewusst in Kauf genommen. Die Agrargewerkschaft BAU hatte nicht nur bessere Hygienestandards gefordert, sondern mindestens eine »spürbare Erschwerniszulage«. Stattdessen wurde die Arbeitszeit ausgeweitet auf bis zu 60 Stunden pro Woche und - ohne Sondergenehmigung - bis zu zwölf Stunden täglich. In dringenden Fällen könnte sogar sechs Tage à zwölf Stunden gearbeitet werden. Zudem dürfen Saisonarbeitskräfte in diesem Jahr bis zu 115 Tage sozialversicherungsfrei beschäftigt werden. Corona-Ausbrüche wie in der vergangenen Woche im bayrischen Mamming sind die Konsequenz.
Gleichzeitig gab es angesichts der verschärften Lage durch die Coronakrise Arbeitsniederlegungen in landwirtschaftlichen Betrieben. So konnten Spargelstecher*innen im nordrheinwestfälischen Bornheim Teilerfolge erkämpfen, ausstehender Lohn wurde überwiegend ausgezahlt, die Arbeiter*innen an andere Höfe vermittelt. Zudem bringt die mediale Aufmerksamkeit endlich Zustände ans Licht, die sich in der aktuellen Krise zwar verschärft zeigen, gleichwohl seit Jahren bekannt sind. Migrantische Landarbeiter*innen werden ausgebeutet und diskriminiert, damit vor allem Supermärkte mit günstigen Preisen hohe Gewinne erzielen.
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