Altlasten der Finanzkrise zu verkaufen
Die Depfa-Bank wurde einst vom Staat mit Milliarden gerettet. Nun soll sie zu Geld gemacht werden
Der Abwicklung der Finanzkrise in Deutschland kommt jetzt einen großen Schritt voran. Die staatliche Bad Bank FMS Wertmanagement veräußert 100 Prozent der Anteile der Depfa-Bank. Was von ihr übrig geblieben ist, soll in einem »offenen, transparenten, kompetitiven und diskriminierungsfreien Auktionsverfahren« veräußert werden. Angebote können noch bis Montagabend bei der beratenden Großbank Barclays eingereicht werden.
Depfa hat viel zu den Turbulenzen 2007/08 beigetragen. Das Institut hatte in erheblichem Umfang in US-Hypothekenpapiere investiert, die im Zuge der Finanzkrise nahezu wertlos wurden. Die damals schon in Irland ansässige Depfa (ehemals: Deutsche Pfandbriefanstalt) benötigte etwa zehn Milliarden Euro an Finanzhilfen vom deutschen Steuerzahler.
Die Geschichte des Instituts steht beispielhaft für Privatisierung, Liberalisierung der Finanzmärkte und hochriskante Zockergeschäfte. 1922 war die Depfa vom Preußischen Staatsministerium als grundsolide Landespfandbriefanstalt gegründet worden. Mit den öffentlichen Pfandbriefen, deren Absicherung gesetzlich geregelt ist, sollte der Bau kleiner Wohnungen finanziert werden. 1954 übernahm der Bund das Kreditinstitut. Kurz nach der deutschen Einheit wurde es durch einen Börsengang für umgerechnet rund 275 Millionen Euro privatisiert und ein Jahr später aufgespalten: Die Depfa Bank führte das Geschäft mit der Staatsfinanzierung fort und verlegte aus steuerlichen Gründen ihren Sitz nach Irland. Der Bereich Immobilienfinanzierung firmierte unter dem Namen Aareal. Das Unternehmen erhielt später während der Finanzkrise ebenfalls öffentliche Hilfen. Hier kam der Staat - anders als bei der Rettung der HSH Nordbank, der Bayern LB oder der Commerzbank - aber mit einem blauen Auge davon. Eine Beteiligung von rund 500 Millionen Euro wurde zurückgezahlt, nachdem auch die Staatsgarantien nicht mehr notwendig waren.
Anders der Fall Depfa: Kurz vor dem Ausbruch der Finanzkrise übernahm die Hypo Real Estate (HRE) das Unternehmen für insgesamt 5,2 Milliarden Euro. Ein gutes Geschäft für die Depfa-Aktionäre, wie sich bald herausstellen sollte. Die Refinanzierungsschwierigkeiten der Depfa trugen nämlich in erheblichem Umfang zur Schieflage der HRE im September 2008 bei, die in Deutschland zum größten Problemfall in der Finanzkrise werden sollte. Die HRE-Rettung kostete den Steuerzahler 21 Milliarden Euro, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen von 2018 hervorgeht.
Die Hypo Real Estate stand 2008 wegen riskanter Immobiliengeschäfte in den Vereinigten Staaten und den neuen Bundesländern vor der Pleite. Dagegen hatte sich Depfa unter ihrem schillernden Chef Gerhard Bruckermann durch sogenannte Fristentransformationen verzockt. Man nahm kurzfristige, preiswerte Kredite auf und finanzierte damit langfristige, teure Darlehen. Als dann die Zinsen für Langfristdarlehen abstürzten, drohte der Finanzfirma der Bankrott.
Rettung brachte die staatliche FMS Wertmanagement. Sie wurde im Jahr 2010 vom Bund als Bad Bank für die HRE und ihre irische Tochter gegründet. Sie sollte die Geschäfte nach und nach abwickeln, um die Verluste möglichst gering zu halten. Bis Ende 2019 konnte das Portfolio mit einem ursprünglichen Nominalwert von 175,7 Milliarden auf 69,3 Milliarden reduziert werden.
Auf den ersten Blick eine Erfolgsbilanz: »Wir konnten zum achten Mal in Folge ein positives Jahresergebnis erzielen«, sagte Vorstandssprecher Christoph Müller auf der Bilanzpressekonferenz im April. Allerdings: In den beiden Gründungsjahren summierten sich die Verluste auf fast 14 Milliarden Euro.
Und was jetzt noch im Portfolio liegt, ist oft Bodensatz: Rund die Hälfte hat laut Geschäftsbericht ein schlechtes Rating, wird sich also nur schwer und mit Verlusten verkaufen lassen. Schon 2019 wurde das Portfolio kaum kleiner. Die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise dürften die Abwicklung in den kommenden Jahren außerdem zusätzlich belasten. Noch gehören der Bad Bank Immobilieninvestments in 42 Ländern, darunter in Risikomärkten wie Albanien, Katar und Vietnam.
Die FMS hatte Depfa in den vergangenen Jahren aufgehübscht und die Bilanz von rund 48 auf 9 Milliarden Euro abgebaut. Beschäftigt sind nur noch 111 Mitarbeiter. Laut »Handelsblatt« liegen hier ausschließlich sichere Staatsanleihen aus Westeuropa. Attraktiv wird das Institut für mögliche Käufer außerdem durch seine Lizenz für Bankgeschäfte in der gesamten EU - dank »Brexit« ein gutes Verkaufsargument. Nach dem früheren Depfa-Boss Bruckermann wird übrigens immer noch gefahndet.
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