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Der unverzichtbare Admiral Johannesson
Nazi oder nicht? Der Streit um den ersten Flottenbefehlshaber der Bundesmarine geht weiter
Wo gibt es eine Kaserne in Deutschland, die nach Fähnrich Martin Otto Wachtel benannt ist? Wo steht das Versorgungsdepot, das den Namen des Dachdeckermeisters Georg Eduard Braun trägt? Wo würdigt die Bundeswehr den Mut von Fähnrich Karl Fnouka, die Umsicht von Obersignalmaat Erich Paul Jansen Friedrichs und die Entschlossenheit des Obergefreiten Kurt Arthur Pester? Die Antwort: Nirgends! Wohl aber stellt sich das Verteidigungsministerium seit Jahren vor den Mann, der letztlich zu verantworten hat, dass die Männer, die Helgoland vor der vollständigen Vernichtung retten und an die Briten übergeben wollten, am 21. April 1945 erschossen wurden: Als zuständiger Kommandeur hätte Rolf Johannesson die Verurteilten vor dem Tode bewahren können. Doch der Konteradmiral war ohne Gnade. In der Rückschau erinnert sich Johannesson zwar daran, dass die Insel am 19. April 1945 durch alliierte Bomber fast vollständig zerstört wurde, doch die zwei Tage später ermordeten Meuterer waren ihm keinen Gedanken wert. Als sich seine Mitwirkung daran nicht mehr geheim halten ließ, verteidigte er seine Entscheidung, weil Nichtbestätigung dieser Urteile angeblich »ein Anreiz für Teile der Festungsbesatzung« auf Helgoland hätte sein können, »sich in weitere Verschwörungen einzulassen«.
Dennoch wurde Hitlers Durchhalteadmiral in der Nachkriegsrepublik Chef der Flotte in der Bundesmarine. Noch immer wird zweimal im Jahr der »Admiral-Johannesson-Preis« an die besten Nachwuchsoffiziere der Marineschule Mürwik verliehen. Dort ist auch seine Büste aufgestellt. Mit geradezu ungewöhnlichem Trotz wehrt das Verteidigungsministerium seit Jahren alle Einsprüche ab, die sich unter anderem auf den neuen Traditionserlass für die Bundeswehr stützen. In der Antwort auf eine von mehreren Kleinen Anfragen, die der Linksfraktionsgeschäftsführer Jan Korte zum Thema stellte, liest man: »Der Bundesregierung ist bekannt, dass Konteradmiral Rolf Johannesson im April 1945 Todesurteile gegen die ›Widerstandsgruppe Helgoland‹ bestätigt hat und diese Urteile auch vollstreckt wurden.« Und? Nichts und! Im Gegenteil. Die Bundesregierung hält es einfach mal so »für erwiesen, dass Konteradmiral a.D. Rolf Johannesson die Tatsache und die Umstände der durch ihn bestätigten Todesurteile bedauerte«. Inwieweit er daraus auch eine moralische Schuld für sich selbst akzeptierte, sei nicht mehr eindeutig zu klären. Das sei für die Bewertung seiner Person durch die Bundeswehr zwar von Bedeutung, »aber nicht ausschlaggebend«.
Der Mörder-Militär ist und bleibt also Vorbild der Bundeswehr. Obgleich, wie Korte meint, die fortgesetzte Ehrung auch gegen einen im April 1998 gefassten Parlamentsbeschluss verstößt. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, »dafür Sorge zu tragen, dass Mitgliedern der Legion Condor nicht weiter ehrendes Gedenken« zuteil wird.
Johannesson war als Angehöriger des Wehrmacht-Nachrichtendienstes, der sogenannten Abwehr, in Spanien, bestätigt ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages: »Auf eigenen Wunsch« habe er als Angehöriger der berüchtigten Legion Condor am Spanischen Bürgerkrieg teilgenommen. Von Juli bis Oktober 1937 leitete er demnach die dortige Sabotage- und Spionageabwehr. »Was genau er dort tat, ist nicht bekannt«, heißt es in dem Parlamentsgutachten.
Klar ist, dass er als Korvettenkapitän in Salamanca Standortältester war. Wichtiger sei ihm, so schrieb er selbst, »der Besuch an der Front«. Daher erhielt er auch das von Hitler gestiftete »Spanienkreuz« in Silber. Das bekam nur, wer direkt an Kampfhandlungen beteiligt war.
Wenn das Verteidigungsministerium samt Marineführung schon nicht wegen der von Johannesson bestätigten Todesurteile im April 1945 von dem Marineoffizier lassen will, so hätte dessen Einsatz in der Legion Condor als Argument für späten Anstand herhalten können. Doch Staatssekretär Peter Tauber (CDU) sieht das anders. Nicht nur, dass er »ausweislich der überlieferten Unterlagen« behauptet, Johannesson sei das sogenannte Spanienkreuz nie verliehen worden. Überdies, so behauptet er, sei der Mann zu keinem Zeitpunkt Angehöriger der Legion gewesen. Er habe als Leiter der »Abwehrstelle Salamanca« dem »im April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg ermordeten Admiral Wilhelm Canaris« unterstanden.
Abgesehen davon, dass es schäbig ist, die acht Jahre später erfolgte Ermordung von Canaris durch die Spionage-Konkurrenten der SS zur Verteidigung von Johannesson zu instrumentalisieren - klar ist: Die Abwehr hatte in Spanien die sogenannte Gegenspionage der Legion Condor übernommen. Mehr noch. Ihr wurde dazu eine Einheit der Geheimen Feldpolizei (GFP) unterstellt, deren Angehörige von der Geheimen Staatspolizei abgestellt wurden. Diese Einheit arbeitete eng mit dem Geheimdienst der Franco-Putschtruppen zusammen. Ein Schwerpunkt war dabei die Verfolgung von Deutschen, die in den Internationalen Brigaden gegen den Faschisten Franco und dessen deutsche Unterstützer kämpften. Eine spezielle Vereinbarung mit dem Servicio Informacion Policia Militar regelte die Übergabe der Gefangenen an die GFP. Einige wurden nach grausamen Verhören noch in Spanien ermordet, die meisten jedoch ins Reich verschleppt, um dort vor den sogenannten Volksgerichtshof gestellt oder sofort in ein Konzentrationslager gesperrt zu werden. Dass Johannesson als Chef der Abwehr in Spanien damit nichts zu tun hatte, können sich vermutlich nur Bundesregierung und Bundeswehr vorstellen.
Im Jahr 2018 verabschiedeten Traditionserlass der Bundeswehr heißt es: »Tradition und Identität der Bundeswehr nehmen (...) die gesamte deutsche (Militär-)Geschichte in den Blick. Sie schließen aber jene Teile aus, die unvereinbar mit den Werten unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung sind.«
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