- Berlin
- Katrin Lompscher
Verfechterin sozialer Stadtentwicklung
Die mietenpolitischen Initiativen haben mit Katrin Lompscher eine wichtige Bündnispartnerin verloren
»Der Rücktritt von Katrin Lompscher ist ein Verlust für die Mieterinnen und Mieter dieser Stadt«, ist sich Rouzbeh Taheri, Sprecher von »Deutsche Wohnen und Co enteignen« sicher. Als »sehr bedauerlich« bezeichnet der Mietenaktivist am Dienstag gegenüber »nd« den Rückzug der Linke-Politikerin, die am Sonntagabend ihr Amt nach Steuervergehen aufgegeben hatte. Lompscher galt im allgemeinen als sehr initiativennah und offen für die Belange der Engagierten für eine soziale Stadt, in der nicht nur laut Taheri die Profitinteressen von privaten Immobilienunternehmen zurückgedrängt werden müssen.
Umso wichtiger, dass bei der Frage der Nachfolge die politische Linie der ehemaligen Senatorin gewahrt bleibt, findet Taheri. »Man muss jetzt schauen, dass die politischen Projekte, die Katrin Lompscher und auch der Senat angestoßen haben, fortgesetzt werden«, so der Initiator des Enteignungsvolksbegehrens. Er hat dabei mehr im Blick als die derzeit noch ausstehende fachliche Stellungnahme zu diesem politischen Vorhaben, die die Verwaltung der nun Ex-Senatorin eigentlich zeitnah liefern wollte. Auch den Mietendeckel gilt es nach wie vor politisch und juristisch zu verteidigen. Auch die Kooperationsvereinbarung mit den landeseigenen Wohnungsbaugenossenschaften steht noch aus.
»Der Nachfolger oder die Nachfolgerin von Katrin Lompscher muss ein ähnliches Profil haben«, fordert auch Taheris Mitkämpfer Michael Prütz. »Wir bewerten den Rücktritt als taktischen Sieg der Immobilienlobby«, findet Prütz klare Worte. Der sei die Ex-Senatorin seit jeher ein »Dorn im Auge« gewesen, weil sie für eine progressive Wohnungspolitik gestanden habe. Man werde sich ganz sicher nicht in personelle Fragen einmischen, so Prütz zu »nd«, aber »politische Kontinuität« erwarte und erhoffe man sich von der rot-rot-grünen Regierung.
»Mut«, »Bewegungsnähe« und »Kompetenz« attestiert die Kreuzberger Initiative Bizim Kiez der Linke-Politikerin. »Katrin Lompscher hat zugehört und manchen Impuls aus der mietenpolitischen Bewegung aufgegriffen«, formuliert es Markus Kammermeier, einer ihrer Aktiven, gegenüber dieser Zeitung. Sie habe »gegen den erbitterten Widerstand der Immolobby« und auch aus den Reihen der Regierungskoalition für einen wohnungspolitischen Kurswechsel eingestanden. »Wir bedanken uns für ihre Hartnäckigkeit. In Bezug auf die Stadtpolitik darf es jetzt keinen Rückschritt geben«, erklärte die Initiative am Dienstag. Landeseigene Wohnungsbaugesellschaften müssten weiter auf Gemeinwohl ausgerichtet, bezahlbare Wohnungen gebaut und der Markt reguliert werden.
Der Berliner Senat habe noch nie eine so engagierte Verfechterin für eine soziale Stadtentwicklung in seinen Reihen gehabt, erklärte der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, bereits am Montag. Lompschers Entscheidung sei ein großer Verlust, drückte Wild sein Bedauern über die Entscheidung aus.
»So wie wir Senatorin Lompscher kennengelernt haben, war der Rücktritt für sie offenbar die einzig mögliche Konsequenz im Hinblick auf ihre Fehler bei der Abrechnung und Versteuerung von Bezügen aus Verwaltungsrats- und Aufsichtsratstätigkeiten. Dafür gebührt ihr unser Respekt«, so der Sprecher des Mietervereins. »Eingepfercht zwischen hohen Baulandpreisen, hohen Mieterwartungen der Wohnraumanbieter, einer überforderten und zum Teil blockierenden Verwaltung in den Bezirken«, habe sie sich den Interessen und Problemen der Mieterschaft gewidmet, die immer Gehör bei ihr gefunden hätte.
Die Einführung des Mietendeckels, sei ihr größter Erfolg, zollt auch Reiner Wild Lompscher Anerkennung. Dass es ihr als Senatorin nicht gelungen sei, hinreichend preisgünstigen Wohnraum zu errichten, könne ihr entgegen vieler Behauptungen nicht angelastet werden. Es fehle schlicht an preisgünstigem Bauland, bauwilligen Investoren, die auch Sozialwohnungen errichten, und notwendigen Kapazitäten in der Bauwirtschaft. Vor allem aber mangele es an einer Reform des Bodenrechts, doch das liegt in der Hand des Bundes, nicht beim Land, so Wild weiter.
Von Lompschers Nachfolge fordert diesbezüglich auch die Initiative »Gemeingut in Bürgerhand« mehr Engagement. Besonders im Blick hat man hier den Schulneubau, bei dem es trotz Schulbauoffensive hapert. So soll die landeseigene Howoge GmbH, die unter Fachaufsicht der Senatsverwaltung Bauen und Wohnen steht, seit dem Start des Bauprogramms vor vier Jahren keinen einzigen Schulneubau begonnen haben, kritisiert Gemeingut-Vorstand Carl Waßmuth.
Die Initiative, die sich für die Demokratisierung öffentlicher Gemeingüter einsetzt, sieht in der Übertragung von Sanierungs- und Neubauobjekten per Erbbaurecht an Unternehmen wie die Howoge den Versuch, die Schuldenbremse zu umgehen, riskiere aber damit auch formelle Privatisierung und eine Blockade dringend nötiger Neubauschulen. »Die erste Amtshandlung der neuen Bausenatorin oder des neuen Bausenators sollte sein, die gefährlichen Vertragsentwürfe für dieses Privatisierungsvorhaben in den Schredder zu stecken«, hält man sich seitens der Privatisierungsgegner nicht lange mit Trauerbekundungen auf.
Katrin Lompschers Linke-Parteigenossen wie Kristian Ronneburg, Bezirksvorsitzender der Linke Marzahn-Hellersdorf, und Bjoern Tielebein, Vorsitzender der Linksfraktion in der BVV Marzahn-Hellersdorf wiederum widerlegen am Dienstag die angebliche Nichtbau-Linie Lompschers: »Von 2016 bis 2019 sind etwa 5500 Wohnungen allein in unserem Bezirk Marzahn-Hellersdorf neu entstanden.
Katrin Lompscher war eine Senatorin, die sowohl für die alten als auch die zukünftigen Mieterinnen und Mieter da war«, erklären die Bezirkspolitiker. Es sei dieser Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen der eingesessenen Mieterschaft und den Menschen, die eine bezahlbare Wohnung suchen, die eine soziale Mieten- und Wohnpolitik ausmachten. In Marzahn-Hellersdorf, so Ronneburg und Tielebein, bringe man diese Ziele zusammen, auch gegen den politischen Druck von AfD, CDU und FDP. Sie danken Katrin Lompscher stellvertretend für die Zusammenarbeit mit Bezirksbürgermeisterin und Stadtentwicklungsstadträtin Dagmar Pohle »von ganzem Herzen für ihre hervorragende Arbeit«.
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