Türkei wegen Haftbedingungen gerügt

Misshandlungen von Gefangenen in Polizeistationen und Gefängnissen weiter an der Tagesordnung

  • Peter Steiniger
  • Lesedauer: 2 Min.

Das Anti-Folter-Komitee des Europarats (CPT) hat in zwei Berichten Missstände in Gefängnissen und Polizeistationen in der Türkei scharf kritisiert und Präsident Recep Tayyip Erdogan aufgefordert, stärker gegen Misshandlungen von Festgenommenen in Polizeigewahrsam vorzugehen.

Während Besuchen in der Türkei 2017 und 2019 mit Hunderten Befragungen sei eine »beträchtliche Zahl« von Vorwürfen der Polizeigewalt an das Gremium herangetragen worden, erklärte das CTP. In den meisten Fällen war es demnach um Schläge gegangen, mit denen entweder ein Geständnis erzwungen oder jemand in Polizeigewahrsam bestraft werden sollte, schrieb die Expertengruppe. Im Vergleich zur Inspektion 2017 sei die zuletzt festgestellte Zahl mutmaßlicher Misshandlungen gleichbleibend hoch und deshalb besorgniserregend, so das Gremium, auch wenn die Härte der Übergriffe abgenommen haben soll. Besorgt zeigt sich das CPT über den rechtlich beschränkten Zugang zu einem Anwalt bei bestimmten schweren Tatvorwürfen zu Beginn des Polizeigewahrsams. Kritisiert werden auch häufig fehlende medizinische Untersuchungen von Festgenommenen zu Beginn und am Ende des Gewahrsams. Darüber hinaus hätten mehrere Festgenommene angegeben, dass sie von Polizisten bedroht wurden, damit sie Verletzungen bei der Untersuchung nicht zeigen.

Um die Situation zu verbessern, müsse die Polizei von der höchsten politischen Ebene, »nämlich dem Präsidenten der Republik«, eine »klare und feste Botschaft« erhalten, dass es bei Misshandlungen in Polizeigewahrsam und in Haftanstalten keinerlei Toleranz gebe, fordert das Komitee. Das CPT besteht aus Experten des Europarats und hat seinen Sitz in Straßburg. Seine Berichte dienen dazu, die Einhaltung der Menschenrechte in Gefängnissen in den 47 Mitgliedstaaten des Europarats zu überprüfen. Dem Europarat obliegt gemeinsam mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Schutz der Menschenrechte in Europa.

Der CPT-Bericht zu 2019 beklagt auch Überbelegung der Haftanstalten: »Folglich hatte eine große Zahl von Insassen in diesen Gefängnissen kein eigenes Bett und musste auf Matratzen auf dem Boden schlafen.« Des Weiteren werden die Bedingungen im Hochsicherheitsgefängnis Imrali kritisiert, wo der Kopf der im Untergrund kämpfenden Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan, und drei Mitgefangene isoliert inhaftiert sind. Seit August 2019 wird Öcalans Anwälten der Zugang zu ihrem seit mehr als 21 Jahren einsitzenden Mandanten von den Behörden verwehrt. Nachdem vor wenigen Tagen vom türkischen Verfassungsgericht ein Antrag auf Aufhebung der Kontaktsperre für die vier in Imrali Gefangenen abgelehnt worden war, hat das Verteidigerteam den Fall vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gebracht. Mit Agenturen Kommentar Seite 8

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -