Theaterpionier
Hans Conrad Dietrich Ekhof, Initiator der ersten deutschen Hoftheater, wurde vor 300 Jahren geboren
In Deutschland gab es bis ins letzte Drittel des 18. Jahrhunderts keine festen Theater. Gespielt wurde unter freiem Himmel, in größeren Höfen und in umfunktionierten Sälen. Die Ensembles waren lose zusammengesetzte Theatergesellschaften, die mehrheitlich aus arbeitslosen Handwerkern, entlaufenen Dienern, verkrachten Studenten und nur wenigen Bühneninteressenten ohne Bühnenausbildung bestanden, von einem Prinzipal geleitet wurden und von Ort zu Ort tingelten. Sie spielten italienische, einzelne englische und vor allem französische Stücke. Meist auf ganz simplem Niveau. Einzelne Ensembleleiter wie Caroline Neuber, Johann Friedrich Schönemann und Abel Seyler engagierten sich auf eine Forderung von Johann Christoph Gottsched hin für mehr Qualität auf der Bühne und die Berücksichtigung deutscher Stücke.
Zu jenen gehörte der vor 300 Jahren geborene Hans Conrad Dietrich Ekhof, der aus Hamburg stammte und als Mitglied verschiedener Theatergesellschaften zum »Vater der deutschen Schauspielkunst« aufstieg. Er führte Wanderbühnen in Hamburg, Schwerin, Weimar und Gotha, begründete in Mecklenburg die erste deutsche Theaterakademie und gilt als Initiator der ersten deutschen Hoftheater, womit er unter anderem Johann Wolfgang Goethe inspirierte. Ekhof war vom aufgeklärten Geist Lessings beseelt, der wiederum dessen Bühnenkunst für unverzichtbar zur Entwicklung eines deutschen Nationaltheaters hielt. Doch während Lessing heute noch allgegenwärtig ist, kennen Ekhof nur noch eingefleischte Theaterfreunde. Eine besondere Erbepflege wird in Gotha betrieben, wo das weltweit älteste Barocktheater seinen Namen trägt und alljährlich ein Ekhof-Festival veranstaltet.
Am 12. August 1720 in Hamburg als ältester Sohn eines Schneiders mit geringen Einkünften geboren, wurde dem begabten Jungen durch kirchliche Gönner der Besuch des Johanneums ermöglicht, wo er bereits in Schulkomödien brillierte. Als der Vater nach dem Tod der Mutter ein zweites Mal heiratete, verdingte sich der 15-Jährige als Schreiber bei einem Postkommissar, wechselte dann als Schreiber nach Schwerin, wo er sich in einer Privatbibliothek große Dramen erschloss. Dann erfuhr er davon, dass Johann Friedrich Schönemann in Lüneburg eine eigene Truppe aufstellte. Ekhof bewarb sich und wurde aufgenommen. Im Trauerspiel »Mithridates« von Jean Racine hatte er 1740 sein Bühnendebüt. Trotz seiner plumpen Gestalt - mit seiner wohllautenden Stimme und Ausdrucksfähigkeit vermochte er zu begeistern. Es folgten weitere Erfolge, bis er auf eigenen Beinen stand und schließlich gar Lehrveranstaltungen in Bühnenkunst gab. 1767 gründete er in Hamburg das Deutsche Nationaltheater, das Lessing-Dramen wie »Minna von Barnhelm« aufführte. Doch das Unternehmen scheiterte bereits zwei Jahre darauf an fehlenden Geldmitteln.
Ekhof verließ Hamburg, fand neue Anstellungen und entwickelte immer wieder neue Projekte. 1771 wurden er und seine Truppe von der kunst- und theaterinteressierten herzöglichen Regentin Anna Amalia von Sachsen-Weimar in die spätere Klassikerstadt berufen. Am 7. Oktober 1771 spielte man das erste Mal in der Residenz. Der Aufklärer Christoph Martin Wieland feierte Ekhofs Ensemble in der Monatsschrift »Teutscher Merkur« als »die beste Gesellschaft in Deutschland« und verwies zudem darauf, dass Weimar damit »ein Schauspiel besaß, das jedermann dreimal in der Woche unentgeltlich besuchen darf«. Ein für Deutschland damals einmaliger Vorzug. Ekhof wurde eine feste und dauerhafte Spielstätte versprochen, was jedoch der Schlossbrand vom 6. Mai 1774 zunichtemachte. Anna Amalia vermittelte Ekhof nach Gotha, wo Herzog Ernst II. den innovativen Theatermann gern aufnahm. Am 13. Januar 1778 spielte er mit Goethe und dem Herzog in einem kleinen Stück. Sein letzter Weimarer Auftritt. Zu seinen letzten Aktivitäten in Gotha gehörte die Ausarbeitung eines Plans für eine Pensions- und Totenkasse für alle Schauspieler. Wenige Wochen später starb der Theaterdirektor am 16. Juni 1778 an seiner letzten Hauptwirkungsstätte Gotha.
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