Drei tanzende Mädchen mit Zahnbelag
Ein Besuch auf Burg Schlitz bei Teterow wird erst perfekt durch Jürgen Luttmann
Für den Mann »um die 70«, wie Luttmann mit seinem Alter kokettiert, ist »Burg Schlitz mein Leben«. Richtiger ist wohl: Sein zweites Leben, denn im ersten war er Revierförster im angrenzenden Wald. Doch seit er Rentner ist, hat er wohl jeden Kieselstein der größten klassizistischen Schlossanlage Mecklenburg-Vorpommerns unter die Lupe genommen. Eine Führung mit ihm durch das riesige Areal ist so amüsant wie lehrreich.
Vom Wohnhaus zum Hotel
Bei einem Rundgang durch das Schloss erzählt er von dessen wechselvoller Geschichte. Gebaut wurde es 1806 für Graf Hans von Schlitz, einem preußischen Diplomaten. 1932 kaufte es Emil Georg von Stauß, der im Aufsichtsrat der Deutschen Bank AG saß. 1945 wurde seine Familie enteignet, in das Schloss zogen zunächst Flüchtlingsfamilien, später war es bis 1955 Schule, bevor es bis 1993 als Senioren- und Pflegheim genutzt wurde. »Dann hat die Firma, die den Hörnerwhiskey herstellt, alles für fünf Millionen D-Mark gekauft, um daraus ein Hotel zu machen«, erklärt Luttmann. Als alles fertig ist und »Jägermeister« die fünffache Kaufsumme in die Sanierung gesteckt hat, wechselte das Anwesen erneut den Besitzer. Seit 2000 betreibt die Stinnes-Gruppe Burg Schlitz als 5-Sterne-Hotel, das der renommierten Hotelkooperation Relais & Chateaux angehört.
In einem kleinen Salon, wo man in intimen Kreis tafeln kann, blitzen Luttmanns Augen auf. Vor der »Kugelspielerin«, einer Plastik, die ebenfalls von Schott stammt, gerät er ins Schwärmen wie ein pupertierender Jüngling. »Ich bin richtig verliebt in das Mädchen. Schauen Sie doch nur, wie der feine Stoff ihre Knie umspielt, wie perfekt ihr Körper und wie grazil ihre Haltung ist.« Völlig entrückt versucht der etwas füllige Mann, die mamorne Schönheit nachzuahmen. Er ähnelt dabei zwar eher einem tanzenden Teddybär, doch in seiner Hingabe ist er so überzeugend, dass er spontan Applaus bekommt.
Um seine Liebe zu Burg Schlitz zu vermitteln, scheut Luttmann keinen Körpereinsatz. Schon gar nicht, wenn es um eines der größten »Juwele« im Schlosspark, den Nymphenbrunnen geht. Seit Jahrzehnten tanzen die drei Schönen im künstlichen Regen, da ist es nicht verwunderlich, dass »meine Mädchen durch den harten Wasserstrahl ein bisschen Zahnbelag angesetzt haben«, verteidigt er die in die Jahre gekommenen Tänzerinnen.
Original und Fälschung
Der Zahn der Zeit indes kann denen egal sein, wurde ihnen doch eine ganz besondere Ehre zuteil: Es gibt sie gleich mehrfach auf der Welt, angeblich soll die Form von Schott acht Mal in Bronze gegossen worden sein. Bewundern kann man die Nymphen auch in New York im Central-Park, im Schloss Gondelsheim bei Karlsruhe, in der ehemaligen Georg-von-Stauß-Villa in Berlin-Dahlem und im Hof des Verwaltungsgebäudes von E.on edis in Potsdam.
Auch anderswo will man die Mädchen schon tanzen gesehen haben. »Lassen Sie sich nicht täuschen«, sagt Luttmann, schnappt sich zwei Frauen und demonstriert die Fälschung. »Wenn die Damen sich nicht ansehen, sondern sich die Rücken zukehren, dann ist es kein Schott.« Und dabei hüpft er wie aufgezogen mit seinen begeisterten Tanzpartnerinnen durch den Schlosspark.
Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern e.V., Platz der Freundschaft 1, 18059 Rostock, E-Mail: info@auf-nach-mv.de, www.auf-nach-mv.de, Tel.: ((0180) 5000 223 (0,12 EUR/min), Fax: (0381) 403 05 55
Schlosshotel Burg Schlitz, 17166 Hohen Demzin, E-Mail: info@burg-schlitz.de, www.burg-schlitz.de, Tel.: (03996) 1270-0, Fax: -70
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