- Sport
- Rassismus im Fußball
Eitel Sonnenschein mit braunem Fleck
Mitten in der Jagd nach dem Triple muss der FC Bayern den Rassismusfall eines Jugendtrainers erklären
An guten Nachrichten mangelt es derzeit nicht beim FC Bayern, jedenfalls in sportlicher Hinsicht. Nach dem 4:1 gegen den FC Chelsea im Achtelfinale der Champions League und dem 8:2 gegen den FC Barcelona im Viertelfinale wird die Vorbereitung aufs Halbfinale gegen Olympique Lyon an diesem Mittwoch von vielen hübschen Bildern begleitet und zudem von ermutigenden Fortschritten bei Benjamin Pavard. Der Rechtsverteidiger nahm nach seiner Fußverletzung am Montag bereits an Teilen des Mannschaftstrainings teil, so dass mit seinem Einsatz voraussichtlich doch noch zu rechnen ist beim Finalturnier in Lissabon.
Dann könnte Trainer Hansi Flick aus dem Vollen schöpfen. Zudem wird der Weltverband Fifa laut Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge nun doch einen Weltfußballer küren. In dem Fall stünden die Chancen für den Münchner Stürmer Robert Lewandowski gut. Auch was der FC Bayern unter dem Hashtag #MissionLis6on an Fotos und Videos aus seinem Quartier westlich von Portugals Hauptstadt verbreitet, zeigt natürlich fröhlich auf den angestrebten sechsten Titelgewinn in Europas Elite hinarbeitende Kicker unter perfekten Bedingungen. Topfit und Topfavorit sind sie obendrein.
Nebenbei ahnen die Bayern inzwischen, dass es ein Vorteil war, im Gegensatz zur bereits ausgeschiedenen Konkurrenz aus Spanien, England und Italien vorm Saisonhöhepunkt eine Urlaubsphase gehabt zu haben. Das legt jedenfalls die Besetzung der beiden deutsch-französischen Halbfinals zwischen RB Leipzig und Paris Saint-Germain am Dienstagabend (nach Redaktionsschluss) sowie zwischen den Bayern und Lyon am Mittwoch nahe. Die Ligue 1 wurde im März komplett abgebrochen. Nur die beiden Finals im Pokal und Ligacup, die PSG gegen AS St. Étienne und Lyon gewann, standen nach der Erholung und vor der Champions League auf der Agenda der beiden französischen Halbfinalisten.
Eitel Sonnenschein beim FC Bayern, doch auf dem angepeilten Weg zum zweiten Triple des Klubs nach 2013 hat sich zuletzt ein brauner Fleck gemischt, dessen Ausmaße und Hintergründe noch nicht ganz klar sind. Über einen massiven Rassismusverdacht am Nachwuchs-Campus des deutschen Branchenprimus hatte das WDR-Magazin »Sport inside« am 11. August erstmals berichtet. Knapp eine Woche nach der Veröffentlichung der Recherchen teilte der Verein nun am Montagabend auf seiner Internetseite kurz mit: »Die FC Bayern München AG und ein Nachwuchstrainer haben ihr Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufgelöst.« Dies sei »das erste Ergebnis einer derzeit stattfindenden internen Untersuchung am Campus«. Die Sachverhalte würden weiter untersucht.
Dass der FC Bayern den Rassismusfall in der Mitteilung nicht als solchen benannte, könnte arbeitsrechtliche Gründe haben. Laut nd-Informationen hat sich der Rassismusverdacht in den internen Untersuchungen bestätigt. Nach Rummenigge hatte Ende der vergangenen Woche auch Klubpräsident Herbert Hainer Konsequenzen angekündigt und versprochen, »mit Hochdruck an der Aufklärung dieses Falles« zu arbeiten.
Ein rassistischer Nachwuchstrainer steht jedenfalls in krassem Widerspruch zur werbewirksamen Imagekampagne des Vereins »Rot gegen Rassismus«. Chat-Protokolle von 2018, die vom Verein als echt verifiziert wurden, zeigen, dass der Mitarbeiter mehrfach mit unverhohlenem Rassismus und Homophobie aufgefallen ist. Sein Vokabular in dem Chat feindete Spieler mit Migrationshintergrund massiv an. Die juristische Abteilung des Vereins hatte jüngst Befragungen diverser Mitarbeiter durchgeführt. Zudem ermittelt der Staatsschutz der Münchner Polizei. Auch, weil in der Chatgruppe Mitarbeiter von der U9 bis zur U15 waren. Gestört haben soll sich an den menschenverachtenden Nachrichten unter diesen weiteren Mitarbeitern aber kaum jemand – gemeldet wurden die Posts offenbar auch nicht.
Zuletzt hieß es, man sei im Verein zunächst von einer Art Privatfehde zwischen Spielern, deren Eltern und dem Jugendtrainer ausgegangen. Eine angeblich anonyme Befragung der Jugendspieler habe keine Beschwerden über den Trainer ergeben, sondern sogar überdurchschnittlich gute Bewertungen. Offenbar stand der Mitarbeiter aber daneben, als die befragten Jugendlichen die Bögen ausfüllten, wie sportschau.de berichtete. Der Jugendtrainer habe ein »Klima der Angst« verbreitet.
Manchen Details der Darstellungen wird von Vereinsseite widersprochen. Wie jenem, dass das Thema zuvor hinreichend bekannt gewesen, aber nicht ernst genommen worden sei. Allerdings lagen der Nachwuchs- und Klubführung schon seit längerer Zeit mindestens drei anonyme Beschwerdebriefe von Eltern vor. So wirkt vieles an diesem Fall sehr irritierend.
Was bleibt, sind Fragen, die Vorgänge weiterhin aufwerfen. Wer wusste wann was? War der Jugendtrainer ein Einzelfall? Wie wird ein weiterer verhindert? Warum wurde womöglich lange nichts unternommen und warum setzte erst hektische Betriebsamkeit ein, als die WDR-Recherchen veröffentlicht wurden? Vor allem aber: Wie kann es sein, dass die durch Beschwerden von Eltern vor längerer Zeit informierte Campus- und Klubführung nicht entschieden eingriff: mit einem Rot gegen Rassismus? Es sind jene Fragen, die der FC Bayern durch seine laufenden Untersuchungen versucht, zunächst einmal für sich selbst schlüssig zu beantworten. Die Münchner wissen, dass es dabei auch um ihr Image und ihre Glaubwürdigkeit geht. Das macht die Angelegenheit für sie zusätzlich kompliziert und unpassend – so kurz vor der Lissaboner Krönungsmesse, die die Bayern-Profis zu weltweiten Werbeträgern machen soll.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.